Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13.04.2020 - 2 O 45/20 - abgeändert.

Im Wege einstweiliger Verfügung wird angeordnet:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, aufgegeben,

es zu unterlassen, im Rahmen von geschäftlichen Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/200 gegenüber Fluggästen wahrheitswidrig nachfolgende Aussagen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

"Wie versprochen: Wir haben nun die außergerichtlichen Verhandlungen mit (X...) aufgenommen." und

"Bisher haben wir noch keine Neuigkeiten in Ihrem Fall." und

"Unserer Erfahrung nach können außergerichtliche Verhandlungen mit (X...) bis zu 3 Monaten dauern."

um damit ausdrücklich oder sinngemäß - nicht den Tatsachen entsprechend - zu behaupten, dass die Antragsgegnerin an die Antragstellerin herangetreten ist und diese zur Ausgleichszahlung aufgefordert hat und/oder in diesbezüglichen Verhandlungen mit ihr steht, wenn dies geschieht wie in Anlagen AS 7 und AS 8 wiedergegeben.

2. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

I) Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat wegen der Eilbedürftigkeit der Sache selbst ohne vorherige Durchführung des Abhilfeverfahrens bei dem Landgericht entscheiden kann (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 572 Rn. 4), ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 567, 569 ZPO).

II) Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragstellerin steht ein im Wege einstweiliger Verfügung zu sichernder Anspruch auf Unterlassung des im Tenor bezeichneten Verhaltens zu.

1) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 4 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO).

2) Der Antrag auf Unterlassung der im Tenor bezeichneten Äußerungen ist auch begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Aussagen aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG zusteht.

a) Die Vorschriften des UWG sind anwendbar. Nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 864/2007 vom 11.07.2007 (Rom-II-VO) kommt auf den Streitfall deutsches Recht zur Anwendung, weil die Wettbewerbsbeziehungen der Parteien durch die Werbung der Antragsgegnerin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden.

b) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin zur Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches berechtigt, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG iVm § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht zwischen den Parteien das nach dem Gesetz für die Annahme der Mitbewerbereigenschaft vorauszusetzende Wettbewerbsverhältnis. Dazu hat der Senat in dem Beschluss vom 17.04.20 - 6 W 31/20, der ebenfalls einen Antrag der hiesigen Antragstellerin gegen die hiesige Antragsgegnerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Anlass hatte, wie folgt ausgeführt:

"Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz hindern oder stören kann. An die Annahme eines solchen Wettbewerbsverhältnisses sind im Sinne eines effektiven lauterkeitsrechtlichen Schutzes keine hohen Anforderungen zu stellen.

Allerdings reicht eine bloße Beeinträchtigung zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt. Das ist dann zu bejahen, wenn die in Rede stehenden (Waren oder) Dienstleistungen vollständig ungleichartig sind (BGH, Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15 - Wettbewerbsbezug, Rn. 16 ff, zit. nach juris). So liegt der Fall hier nicht, das notwendige Konkurrenzmoment ist gegeben. Die angebotenen Dienstleistungen der Antragstellerin einerseits und der Antragsgegnerin andererseits sind nicht vollständig ungleichartig. Denn die angebotene Dienstleistung der Antragstellerin, die darin besteht, Kundenansprüche auf Entschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) unmittelbar entgegen zu nehmen und zu bearbeiten, ist ersetzbar durch diejenige der Antragsgegnerin. Für die Definition des Angebots der Regulierung der Fluggastrechte als Dienstleistung auf Seiten der Antragstellerin ist es nach den im UWG maßgeblichen Begrifflichkeiten unerheblich, ob sie freiwillig oder auf gesetzlicher Grund...

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