Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 02.04.2020 - 2 O 44/20 - abgeändert.

Im Wege einstweiliger Verfügung wird angeordnet:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, aufgegeben,

es zu unterlassen, im Rahmen der Werbung für die F... GmbH die Behauptung "Lügen Airline" ("L...' Air") aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen zu lassen und /oder verbreiten zu lassen, wenn dies geschieht wie folgt:

((Abbildung))

2. Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Verfügung weiter aufgegeben, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der begangenen Handlung nach dem Antrag unter Ziffer 1 unter Angabe darüber, an welchen Orten sowie in welchen Medien die Werbung gezeigt bzw. vertrieben wird sowie an welche Adressaten die Werbung bekanntgegeben bzw. übermittelt wurde.

3. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I) Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat wegen der Eilbedürftigkeit der Sache selbst entscheiden kann ohne vorherige Durchführung des Abhilfeverfahrens bei dem Landgericht (Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl. § 572 Rn. 4), ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 567, 569 ZPO).

II) Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragstellerin steht ein im Wege einstweiliger Verfügung zu sichernder Anspruch auf Unterlassung des im Tenor bezeichneten Verhaltens sowie auf die begehrte Auskunft zu.

1) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 4 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO).

2) Der Antrag auf Unterlassung des im Einzelnen bezeichneten Verhaltens ist auch begründet.

a) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Werbung, wie aus dem Tenor ersichtlich, aus

§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 UWG zusteht.

aa) Die vorgenannten Rechtsnormen sind hier anwendbar. Nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 864/2007 vom 11.07.2007 (Rom-II-VO) kommt auf den Streitfall deutsches Recht zur Anwendung, weil die Wettbewerbsbeziehungen der Parteien durch die Werbung der Antragsgegnerin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden.

bb) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin zur Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches berechtigt, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin gegeben.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz hindern oder stören kann. An die Annahme eines solchen Wettbewerbsverhältnisses sind im Sinne eines effektiven lauterkeitsrechtlichen Schutzes keine hohen Anforderungen zu stellen.

Allerdings reicht eine bloße Beeinträchtigung zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt. Das ist dann zu bejahen, wenn die in Rede stehenden (Waren oder) Dienstleistungen vollständig ungleichartig sind (BGH Urteil vom 26.01.2017 - I ZR 217/15 - Wettbewerbsbezug, Rn. 16 ff, zit. nach juris). So liegt der Fall hier nicht, das notwendige Konkurrenzmoment ist gegeben. Die angebotenen Dienstleistungen der Antragstellerin einerseits und der Antragsgegnerin andererseits sind nicht vollständig ungleichartig. Denn die angebotene Dienstleistung der Antragstellerin, die darin besteht, Kundenansprüche auf Entschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) unmittelbar entgegen zu nehmen und zu bearbeiten, ist ersetzbar durch diejenige der Antragsgegnerin. Für die Definition des Angebots der Regulierung der Fluggastrechte als Dienstleistung auf Seiten der Antragstellerin ist es nach den im UWG maßgeblichen Begrifflichkeiten unerheblich, ob sie freiwillig oder auf gesetzlicher Grundlage erbracht werden. Auch Nebenleistungen zu Warenlieferungen oder anderen Dienstleistungen stellen Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG dar (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 4 Rn. 1.25, § 6 Rn. 94).

Wollte man dem nicht folgen, weil unter Dienstleistungen solche Leistungen zu verstehen sind, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden (vgl. auch Art. 57 S. 1 AEUV), ...

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