Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe: Beurteilungszeitpunkt für nachträglich erhobene Folgesache; Mutwillen bei selbstverschuldeter Bedürftigkeit; Verwertungserlös einer selbstgenutzten Immobilie als einzusetzendes Vermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen für Verfahrenskostenhilfe für eine nachträglich erhobene Folgesache Zugewinnausgleich sind unabhängig von einer - auf eine Ehesache und den Versorgungsausgleich beschränkte - Ausgangsbewilligung zu prüfen und in Ansehung der Hilfsbedürftigkeit ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das jetzige Gesuch abzustellen (vgl. Senat Beschl. v. 10.5.2019 - 13 WF 104/19, BeckRS 2019, 17725).
2. Wer es in Kenntnis eines laufenden Verfahrens trotz Zuflusses eines erheblichen Barbetrages unterlässt, hieraus im Rahmen einer sorgsamen Wirtschaftsführung eine Rücklage für die greifbare Belastung mit den Verfahrenskosten zu bilden, kann sich nicht auf eine so verursachte Hilfsbedürftigkeit berufen und deshalb keine Verfahrenskostenhilfe beanspruchen (vgl. Senat FamRZ 2019, 993 m.w.N.).
3. Der Verwertungserlös einer Immobilie ist regelmäßig einzusetzendes Vermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO. Selbst die Verwertung eines früheren Familienheims beseitigt dessen - soweit sie überhaupt bestanden haben sollte - Privilegierung nach §§ 115 Abs. 3 S 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
4. Zu den Voraussetzungen einer Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII.
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 23 F 27/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 01.08.2019 wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Antragsgegnerin, der durch Beschluss vom 25.5.2017 für eine Ehesache Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war, erbittet für eine mit Schriftsatz 08.11.2017 eingeleitete Folgesache Zugewinn Verfahrenskostenhilfe.
Nachdem die Antragstellerin keine erneute Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hatte, hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.08.2019 Verfahrenskostenhilfe mangels Bedürftigkeit abgelehnt. Die Antragsgegnerin habe einen ihr inzwischen zugeflossenen Verkaufserlös von mehr als 87.000 EUR für die Veräußerung einer vormals als Familienheim genutzten Immobilie für die Verfahrenskosten einzusetzen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde nimmt die Antragsgegnerin Bezug auf eine Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 05.08.2019 (55 ff VK). Hieraus ergeben sich neben dem Zufluss eines Verkaufserlöses für das vormalige Familiengrundstück von 83.699,72 EUR an die Antragsgegnerin (vgl. 131 VK) unter anderem eine Zahlung der Antragstellerin vom 28.03.2019 über 47.000 EUR auf einen Kaufvertrag vom 20.03.2019 über ein Baugrundstück (vgl. 57, 90, 98 VK) sowie weiter Ausgaben für ein von ihr in's Werk gesetztes Bauvorhaben mit einer Gesamtsumme knapp oberhalb des ihr zugeflossenen Verkaufserlöses (vgl. 130 Vk) sowie eine Fremdfinanzierung von weiteren 230.000 EUR (vgl. 70 VK).
2. Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen einer Verfahrenskostenhilfe Bewilligung für die nachträglich erhobene Folgesache Zugewinnausgleich zutreffend unabhängig von der - auf die Ehesache und den Versorgungsausgleich beschränkte - Ausgangsbewilligung geprüft und in Ansehung der Hilfsbedürftigkeit richtigerweise auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das jetzige Gesuch abgestellt (vgl. Senat Beschl. v. 10.5.2019 - 13 WF 104/19, BeckRS 2019, 17725).
Hierbei lässt sich eine berücksichtigungsfähige Hilfsbedürftigkeit der Antragsgegnerin nicht feststellen. Wer es in Kenntnis eines laufenden Verfahrens trotz Zuflusses eines erheblichen Barbetrages unterlässt, hieraus im Rahmen einer sorgsamen Wirtschaftsführung eine Rücklage für die greifbare Belastung mit den Verfahrenskosten zu bilden, kann sich nicht auf eine so verursachte Hilfsbedürftigkeit berufen und deshalb keine Verfahrenskostenhilfe beanspruchen (vgl. Senat FamRZ 2019, 993 m.w.N.).
So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hätte aus ihrem Veräußerungserlös Rücklagen für die Verfahrenskosten bilden müssen. Der Verwertungserlös einer Immobilie ist regelmäßig einzusetzendes Vermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO. Selbst die Verwertung eines früheren Familienheims beseitigt dessen - soweit sie überhaupt bestanden haben sollte - Privilegierung nach §§ 115 Abs. 3 S 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Diese liegt darin, der bedürftigen Partei den Mittelpunkt ihres bisherigen sozialen Lebens zu erhalten und sie davor zu bewahren, ein schon vorhandenes privilegiertes Eigenheim zur Finanzierung der Verfahrenskosten veräußern zu müssen. Dieser Schutzzweck ist mit Veräußerung entfallen; dass der Veräußerungserlös nicht privilegiert ist, ergibt sich zudem im Umkehrschluss aus § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, der Vermögen zu Zwecken einer Immobilenanschaffung nur unter engen, hier fehlenden, Ausnahmevoraussetzungen privilegiert...