Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellungen im Prozesskostenhilfe-Überprüfungsverfahren
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 4, §§ 124, 172
Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Beschluss vom 03.06.2008; Aktenzeichen 30 F 153/05) |
Tenor
Der Nichtabhilfebeschluss des AG - Rechtspflegers - Königs Wusterhausen vom 3.6.2008 - 30 F 153/05 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Frage, ob der sofortigen Beschwerde abgeholfen wird oder nicht, an das AG zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Nichtabhilfeentscheidung ist aufzuheben, weil das AG die Beschwerde zu Unrecht als unzulässig angesehen und deshalb nicht in der Sache beschieden hat.
Zu der Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig sei, ist das AG gelangt, weil es, nachdem es die angefochtene Entscheidung sowohl dem Kläger persönlich als auch dem Rechtsanwalt, der ihm für das Hauptsacheverfahren beigeordnet gewesen war, förmlich zugestellt hatte, für den Lauf der Beschwerdefrist nur die (zeitlich früher erfolgte) Zustellung an den Kläger persönlich für maßgeblich erachtet hat.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob Zustellungen im Prozesskostenhilfe-Überprüfungsverfahren gem. § 120 Abs. 4 ZPO - und damit insbesondere auch die Zustellung der die Bewilligung gem. § 124 Nr. 2, Alt. 2 ZPO aufhebenden Entscheidung im Falle mangelnder Mitwirkung der Partei - an die Partei persönlich (so die wohl noch herrschende Meinung; vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 120 Rz. 28, m.w.N.; § 124 Rz. 23; OLG München FamRZ 1993, 580; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 531; früher auch Brb. OLG - 1. FamS, FamRZ 2005, 47) oder an den beigeordneten Rechtsanwalt (so jetzt Brb. OLG - 1. FamS, Beschl. v. 9.1.2008 - 9 WF 353/07; ebenso Brb. OLG - 2. FamS, Beschl. v. 24.7.2007 - 10 WF 187/07) zu bewirken sind. Das AG ist offenbar von ersterem ausgegangen und hat dementsprechend die später erfolgte Zustellung an den beigeordneten Rechtsanwalt als unbeachtlich angesehen. Der Senat hat sich in dieser Frage bislang nicht festgelegt.
Auch das vorliegende Verfahren zwingt nicht zu einer abschließenden Entscheidung der Frage, weil es auf sie nicht ankommt. Schon aus Gründen des verfahrensrechtlichen Vertrauensschutzes hätte das AG nämlich die Beschwerde nicht als verfristet ansehen dürfen. Wenn das Gericht angesichts des Streits darüber, an wen Zustellungen im Prozesskostenhilfe-Überprüfungsverfahren zu bewirken sind, eine Entscheidung, sozusagen "vorsichtshalber", sowohl der Partei persönlich als auch dem beigeordneten Rechtsanwalt förmlich zustellt, ohne zugleich klarzustellen, welche Zustellung nun maßgeblich sein soll, muss der von der Rechtsprechung entwickelte verfahrensrechtliche Meistbegünstigungsgrundsatz gelten, d.h. beide Zustellungen müssen als für den Lauf der Beschwerdefrist maßgeblich angesehen werden. Bei einer solchen Verfahrensgestaltung darf nämlich jeder der Adressaten darauf vertrauen, dass nach dem Willen des Gerichts die an ihn erfolgte Zustellung die Beschwerdefrist in Lauf setzen sollte. Für den beigeordneten Rechtsanwalt gilt dies, selbst wenn er, wie es das AG angenommen hat, nicht (mehr) empfangsbevollmächtigt gewesen sein sollte, jedenfalls dann, wenn er - wie hier - die Partei sodann im Beschwerdeverfahren tatsächlich vertritt, denn die (erneute) Mandatierung heilt den Mangel der fehlenden Empfangsvollmacht, § 89 Abs. 2 ZPO.
Bei dieser Sachlage hätte das AG die innerhalb eines Monats nach der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den beigeordneten Rechtsanwalt eingegangene Beschwerde nicht als unzulässig ansehen dürfen, sondern sich vielmehr inhaltlich mit dem Beschwerdevorbringen auseinandersetzen müssen. Dies ist im Nichtabhilfeverfahren nachzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO in entsprechender Anwendung.
Fundstellen
Haufe-Index 2155474 |
FamRZ 2009, 630 |
MDR 2009, 890 |
OLGR-Ost 2009, 437 |