Leitsatz (amtlich)

1. Sollen die eingehenden Angebote der Bieter nach Preis und Leistung in einer Gewichtung von 40 % zu 60 % bewertet werden und wird die angebotene Leistung mit Punkten gewertet, so muss die Formel bzw. Methode, nach welcher der auf Euro lautende Angebotspreis in Wertungspunkte umgerechnet werden wird, in der Ausschreibung bekannt gemacht werden.

2. Ist im Rahmen des Wertungskriteriums "Leistung" eine praktische Teststellung der anzuschaffenden Geräte durch potentielle Anwender vorgesehen und die Wertung dem Schulnotensystem unterworfen, so bedarf es eines für die Notenvergabe maßgeblichen Zielerreichungsgrades dann nicht, wenn die in der Teststellung zu bewertenden Eigen- schaften der Geräte durch eine Vielzahl von Unter-Unterkriterien detailliert und für Bieter und Anwender verständlich bezeichnet sind.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 13.10.2016; Aktenzeichen VK 17/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 13.10.2016 - VK 17/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

 

Gründe

I. Mit Bekanntmachung vom 19.12.2015 schrieb die Auftraggeberin im offenen Verfahren die Beschaffung von 27 Beatmungsgeräten zu einem geschätzten Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von 650.000 EUR europaweit aus. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen bzw. in der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgeführt sind, erteilt werden.

Die Vergabeunterlagen spezifizierten die Anforderungen an die Beatmungsgeräte und enthielten Angaben zur Wertung. Danach sollten Preis und Leistung in einem Verhältnis von 40 % zu 60 % gewichtet werden, wobei für das Wertungskriterium "Leistung" zwei Unterkriterien gebildet wurden, nämlich "technische Bewertung" (mit 20 % gewichtet) und "Bewertung Teststellung" (mit 80 % gewichtet). Im Rahmen der "technischen Bewertung" waren bei 100 wertungsrelevanten Unter-Unterkriterien maximal 1000 Punkte zu erzielen. Die "Bewertung Teststellung" bestand in einer von potentiellen Anwendern durchzuführenden praktischen Bewertung der einzelnen Geräte anhand eines Kataloges von 20 Unter-Unterkriterien, von denen 10 mit 7,92 % und die übrigen mit je 0,08 % gewichtet werden sollten. Für jeden dieser 20 Unterpunkte waren maximal 20 Punkte zu erreichen (insgesamt damit 400), wobei die Bewertung der 20 Unter-Unterkriterien jeweils wie folgt vorzunehmen war:

Keine Angabe (0)

Sehr gut (20)

Gut (16)

Befriedigend (12)

Ausreichend (8)

Mangelhaft (0)

Ungenügend (0)

Nach welcher Formel der von den Bietern angebotene Preis in Wertungspunkte umgerechnet wird, wurde in den Vergabeunterlagen nicht mitgeteilt. Dies holte die Auftraggeberin während des Vergabenachprüfungsverfahrens nach.

Zum Submissionstermin am 26.01.2016 lagen vier Angebote vor, wobei nach der Wertung der Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen mit 84,93 Punkten das wirtschaftlich günstigste war, die Antragstellerin hatte mit 87,22 Punkten die zweitbeste Bewertung. Bei der Wertung hatte die Auftraggeberin weder die Gewichtung von 7,92 % zu 0,08 % in Zusammenhang mit der Gewichtung der Unter-Unterkriterien für das Unterkriterium "Bewertung Teststellung" nachvollzogen, noch die auf die Kriterien Preis bzw. Leistung entfallenden Punkte im Verhältnis 40 % zu 60 % gewichtet. Stattdessen wurden die Kriterien bzw. Unter-Unterkriterien gleichmäßig gewichtet. Ein das Wertungsergebnis auf allen Wertungsstufen zusammenfassender Vergabevermerk befindet sich nicht in der Vergabeakte.

Unter dem 17.08.2016 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin nach § 134 GWB darüber, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten sollte. Die unter dem 23./24.08.2016 vorgebrachte Rüge der Antragstellerin, mit der sie unter anderem geltend machte, das Wertungssystem und die Wertungssystematik seien intransparent, wies die Auftraggeberin unter dem 24.08.2016 zurück.

Die Antragstellerin hat daraufhin mit am 26.08.2016 bei der Vergabekammer eingegangenen Schriftsatz die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel der Wiederholung der Wertung beantragt und dazu ihr Rügevorbringen ergänzt und vertieft.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 14.09.2016 die Beschwerdeführerin beigeladen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.10.2016 hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückversetzt sowie der Auftraggeberin aufgegeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht den Bietern unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer überarbeitete Vergabeunterlagen zu übersenden. Ferner ist festgestellt worden, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Vergabenachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt und mit ihrer Rüge nicht nach § 107 Abs. 3 GWB präkludi...

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