Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung der Unterhaltsbeistandschaft mit Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes. Kindergeldanrechnung beim Volljährigenunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes kann das Jugendamt nicht mehr als Beistand und damit als gesetzlicher Vertreter des Kindes tätig werden. Übersendet das Jugendamt lediglich eine Berechnung, aus der sich der für das volljährige Kind zu zahlende Unterhalt ergibt, liegt eine Mahnung nicht vor.

2. Beim Volljährigenunterhalt kommt es mit Rücksicht auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Kindergeldanrechnung nicht darauf an, welcher Elternteil im Hinblick auf das Kindergeld bezugsberechtigt ist und welcher Elternteil das Kindergeld tatsächlich bezieht.

3. Im Prozesskostenhilfeverfahren ist zugunsten des volljährigen Kindes anzunehmen, dass ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt jedenfalls auch noch im Monat der die Ausbildung beendenden Prüfung besteht.

 

Normenkette

BGB §§ 1610, 1613 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 02.03.2006; Aktenzeichen 2 F 1147/05)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. in B. auch bewilligt, soweit sie Unterhalt von 94,52 EUR für März 2006 begehrt.

Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Die Gebühr nach KV 1811 wird auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nur teilweise begründet. Über den angefochtenen Beschluss hinaus ist der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligten, soweit sie Unterhalt i.H.v. 94,52 EUR auch für März 2006 begehrt. Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung darüber hinaus keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.

1. Zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass die Klägerin Unterhalt erst ab Juli 2005 verlangen kann. Für die Zeit von Dezember 2004 bis Juni 2005 hat die Klägerin nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht dargelegt. Nach dieser Vorschrift kann Unterhalt für die Vergangenheit nur von dem Zeitpunkt an gefordert werden, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Dass diese Voraussetzungen im Hinblick auf das allein von der Klägerin angeführte Schreiben des Jugendamtes des Landkreises Märkisch-Oderland vom 25.11.2004 vorliegen, kann nicht angenommen werden.

Nachdem die Klägerin mit der Klage lediglich eine Unterhaltsberechnung des Jugendamtes vom 25.11.2004 eingereicht hatte, hat sie nun mit der sofortigen Beschwerde ein an die Beklagte gerichtetes Schreiben des Jugendamtes vom selben Tage vorgelegt. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Schreibens ist eine In-Verzug-Setzung nicht erfolgt.

Verzug setzt gem. § 286 Abs. 1 BGB insb. eine Mahnung voraus. Eine Mahnung erfordert für ihre Wirksamkeit eine der Höhe nach bestimmte und eindeutige Leistungsaufforderung (BGH v. 24.10.1984 - IVb ZR 43/83, MDR 1985, 474 = FamRZ 1985, 155 [157]; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 117). An einer eindeutigen Leistungsaufforderung fehlt es vorliegend.

Das Schreiben des Jugendamtes vom 25.11.2004 ist überschrieben mit dem Begriff "Beistandschaft". Im Schreiben selbst ist ausgeführt, dass die Beklagte die Unterhaltsberechnung für ihr volljähriges Kind erhalte. Danach habe sie für das Kind ab 3.11.2004 einen monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 600 EUR zu zahlen. In dem zu zahlenden Unterhaltsbetrag sei der gesamte Kindergeldbetrag und der Anteil am Mehrbedarf (Schulgeld) enthalten; die Höhe der Versicherungsleistungen für das Kind sei bei der Ermittlung des durchschnittlichen Nettoeinkommens bereits berücksichtigt. Das Schreiben schließt mit dem Hinweis, dass das Jugendamt für Rückfragen gern zur Verfügung stehe. Dieses Schreiben enthält eine eindeutige Leistungsaufforderung nicht.

Allerdings kommt grundsätzlich eine Zahlungsaufforderung durch das Jugendamt, wenn es als Beistand und damit als gesetzlicher Vertreter tätig wird, in Betracht (KG, Beschl. v. 20.9.2004 - 19 WF 210/04, NJW-RR 2005, 155 f.). Ein solcher Fall ist vorliegend aber nicht gegeben. Auch wenn das Schreiben des Jugendamtes vom 25.11.2004 mit dem Begriff "Beistandschaft" überschrieben ist, ist das Jugendamt tatsächlich nicht als Beistand tätig geworden. Nach Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes kann das Jugendamt nämlich nicht mehr als Beistand und damit als gesetzlicher Vertreter des Kindes tätig werden (OLG Karlsruhe JAmt 2001, 302 [303]; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1715 Rz. 5; Bamberger/Roth/Enders, BGB, § 1715 Rz. 4). Entsprechend enthält das Schreiben des...

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