Leitsatz (amtlich)
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für isolierte Versorgungsausgleichssache (vgl. § 217 FamFG) nach § 120 FamFG erfasst auch nicht-inländische Versorgungsanwartschaften, wie sich im Umkehrschluss aus § 102 Nr. 2 FamFG ergibt (vgl. Hau in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 102 FamFG, Rn. 7 m.w.N.).
2. Versorgungsausgleichssachen fallen weder in den persönlichen noch in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 13 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ).
3. Art. 14 des Protokolls über Vorrechte und Immunitäten (Immunitätenprotokoll, Bundesgesetzblatt II 1976, 985) gewährt Bediensteten des europäischen Patentamts keine Immunität in Versorgungsausgleichssachen.
4. Die Gewährung von Immunität für internationale Organisationen und deren Bedienstete ist allgemeine völkerrechtliche Praxis und folgt dem Grundsatz der funktionalen Immunität. Das Interesse der Vertragsstaaten an einer guten Arbeitsfähigkeit des europäischen Patentamts (vgl. EGMR, Urteil vom 06.01.2015 - 415/07 = NVwZ-RR 2016, 644, Rn. 67) gibt keine Veranlassung, den Begriff und das Verständnis der durch Immunität zu schützenden Handlungen über den klaren Protokollwortlaut hinaus extensiv auf familienrechtliche Verpflichtungen zu erstrecken, die die Handlungsfähigkeit des Bediensteten in Ausübung seines Amtes unberührt lassen.
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Beschluss vom 25.08.2016; Aktenzeichen 54 F 22/15) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Neuruppin vom 25.08.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis 4000 EUR festgesetzt.
II. Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin..., Berlin, bewilligt.
Gründe
I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente und zur Abtretung künftiger Ruhegehaltsansprüche.
Die Beteiligten sind frühere Ehegatten und durch Beschluss des AG Neuruppin vom 14.04.2014 geschieden (54 F 7/12). Der Antragsgegner bezieht aus seiner Tätigkeit beim Europäischen Patentamt ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit, von dem ein Auszahlungsbetrag von 1678,04 EUR auf die Ehezeit entfällt. Die Antragstellerin bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung.
Sie hat im jetzigen Verfahren vom Antragsgegner die errechnete Hälfte des Auszahlungsbetrages zur Zahlung an sich beansprucht und nach Rechtskraft der Entscheidung eine Abtretung seiner Ruhegehaltsansprüche gegen das europäische Patentamt in errechneter Höhe.
Der Antragsgegner hat das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation für zuständig erachtet und für sich Immunität beansprucht.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das AG den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet. Es hat sich für international zuständig erachtet und eine Immunität des Antragsgegners verneint. In der Sache hat es die Voraussetzungen der §§ 20, 21 VersAusglG bejaht.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Antragsgegner eine Antragszurückweisung. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen zur fehlenden internationalen Zuständigkeit und zu seiner Immunität.
Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten waren.
II. Die nach § § 58 ff, 238 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das AG hat die schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen innerhalb des Versorgungsausgleichs nach der Scheidung (§§ 20 ff VersAusglG) zutreffend behandelt.
1. Es war für die isolierte Versorgungsausgleichssache (vgl. § 217 FamFG) international zuständig, § 102 Nr. 1, Nr. 3 FamFG. Diese Bestimmungen erfassen, wie sich im Umkehrschluss aus § 102 Nr. 2 FamFG ergibt, auch nicht-inländische Anrechte (vgl. Hau in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 102 FamFG, Rn. 7 m.w.N.).
Nach § 97 FamFG zu beachtendes vorrangiges Europa- oder Konventionsrecht besteht nicht. Versorgungsausgleichssachen fallen entgegen der Ansicht des Antragsgegners weder in den persönlichen noch in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 13 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Dessen Abs. 1 begründet - auch bei vertragsautonomer Auslegung des Übereinkommens - die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation nur für Streitsachen zwischen den Bediensteten oder ehemaligen Bediensteten des europäischen Patentamts oder ihrer Rechtsnachfolger und der Europäischen Patentorganisation. Ein Streit zwischen dem Antragsgegner und der Europäis...