Normenkette
ZPO § 36; SchuldRAnpG § 55
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Aktenzeichen 1b O 26/01) |
Tenor
Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Kläger haben gegen die Beklagten vor dem LG Neuruppin Klage auf Zahlung von 25.000 DM nebst Zinsen erhoben. Ihre Klageforderung stützen sie auf eine Vereinbarung vom 23.8./5.9.2000, die zwischen ihnen als Nutzer des Erholungsgrundstücks („Datschengrundstücks”) K.-Straße, Sch., mit Herrn P. als Vertreter der Eigentümer des Grundstücks abgeschlossen worden ist. Eigentümer des Grundstücks sind die Beklagten. Wesentlicher Gegenstand der Vereinbarung war die Beendigung des Nutzungsverhältnisses und Räumung des Grundstücks zum 31.10.2000 gegen Zahlung eines Betrages von 25.000 DM. Mit Schriftsatz v. 15.2.2001 haben die Kläger unter Hinweis auf § 55 SchuldRAnpG die Verweisung des Rechtsstreits an das für Sch. zuständige AG, hilfsweise die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO, beantragt. Mit Beschl. v. 29.7.2002 hat das LG Neuruppin die Sache hierauf dem Brandenburgischen OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt und seine Auffassung mitgeteilt, dass der Gerichtsstand nach § 55 SchuldRAnpG hier keine Anwendung finde.
II. Eine Gerichtsstandsbestimmung kommt hier allein nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht, scheidet aber aus, da für alle Beklagten ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Dieser ergibt sich aus § 55 SchuldRAnpG und befindet sich bei dem für Sch. zuständigen AG Oranienburg.
§ 55 SchuldRAnpG begründet die ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des AG, in dessen Bezirk das genutzte Grundstück belegen ist, für alle Streitigkeiten zwischen Grundstückseigentümern und Nutzern überAnsprüche aus Vertragsverhältnissen nach § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG oder über das Bestehen solcher Verhältnisse. Zwischen den Parteien (bzw. deren Gesamtrechtsvorgängern) hat an dem Grundstück K.-Straße in Sch. ein Nutzungsverhältnis i.S.d. §§ 312 ff. ZGB/DDR (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG) bestanden. Der Abwicklung dieses Nutzungsverhältnisses diente die Vereinbarung vom 23.8./5.9.2000, auf welche die Klageforderung gestützt wird. Auch solche Streitigkeiten fallen unter § 55 SchuldRAnpG.
§ 55 SchuldRAnpG ist der Regelung in § 23 Nr. 2 lit. a) GVG sowie in § 29a Abs. 1 ZPO für Streitigkeiten (insb.) aus Wohnraummietverhältnissen nachgebildet und verfolgt ähnliche soziale Schutzziele (s. etwa Kühnholz in MünchKomm/ZPO, Bd. 6, 3. Aufl. 1997, § 55 SchuldRAnpG Rz. 1; Schnabel, SchuldRÄndG, 1995, § 55 SchuldRAnpG Rz. 1; Kiethe/Kinne, Kommentar zum SchuldRAnpG, § 55 SchuldRAnpG Rz. 1). Die Parteien, vor allem aber der Nutzer, sollen die das Nutzungsverhältnis betreffenden Zivilgerichtsverfahren unabhängig von der Höhe des Streitwerts vor einem ortsnahen Gericht ohne kostenauslösende Beauftragung eines Rechtsanwalts (§ 78 ZPO) austragen können. Diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber noch dadurch unterstrichen, dass er die Zuständigkeit des AG – mit den Wirkungen nach § 40 Abs. 2 ZPO – als ausschließliche bestimmt hat. Das legt bei der Anwendung von § 55 SchuldRAnpG einen Gleichklang mit der anerkannten weiten Auslegung von § 23 Nr. 2 lit. a) GVG und § 29a Abs. 1 ZPO nahe. Für § 29a Abs. 1 ZPO wird die Erstreckung auf alle Klagen, die sich auf Abwicklungspflichten aus einem Mietverhältnis beziehen, verbreitet bejaht (s. etwa Zöller/Vollkommer, 23. Aufl. 2002, § 29a ZPO Rz. 9; Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 29a ZPO Rz. 21, 24; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, S. 1584, 1586). Entsprechendes gilt für § 55 SchuldRAnpG. Hierfür spricht auch die Nähe zu anderen, unbestreitbaren Anwendungsfällen dieser Norm: § 55 SchuldRAnpG erfasst insb. auch Räumungs- und Schadensersatzansprüche (Kühnholz in MünchKomm/ZPO, Bd. 6, 3. Aufl. 1997, § 55 SchuldRAnpG Rz. 5; Thiele, SchuldRÄndG, § 55 SchuldRAnpG Rz. 3) und – dem ausdrücklichen Wortlaut nach – Streitigkeiten über das (Fort-)Bestehen des Nutzungsverhältnisses. Mit diesen Fällen aber stehen Streitigkeiten aus Abwicklungsvereinbarungen über solche Nutzungsverhältnisse naturgemäß in enger Berührung. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, Streitigkeiten aus Abwicklungsvereinbarungen über Nutzungsverhältnisse i.S.v. § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG von der Gerichtsstandsregelung des § 55 SchuldRAnpG auszunehmen. Entscheidend ist – ähnlich wie bei § 23 Nr. 2 lit. a) GVG und § 29a Abs. 1 ZPO –, dass der Rechtsstreit Ansprüche betrifft, die in ihrem Kern im Nutzungsverhältnis wurzeln und in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Nutzungsverhältnis stehen.
Sonach unterfallen Klagen wegen Forderungen aus Abwicklungsvereinbarungen über Nutzungsverhältnisse i.S.v. § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG der Gerichtsstandsregelung nach § 55 SchuldRAnpG.
Das LG Neuruppin wird somit, wie von den Klägern vornehmlich beantragt, den Rechtsstreit an das AG Oranienburg zu verweisen haben.
Dr. Macke Friedrichs Tombrink
Fundstellen
Haufe-Index 1103742 |
NZM 2002,... |