Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Unterhaltsansprüche nach § 7 UVG und § 33 SGB II bei fiktivem Einkommen des Unterhaltspflichtigen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Übergang eines nach bürgerlichem Recht bestehenden Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch darauf beruht, dass der Unterhaltspflichtige sich fiktive Einkünfte zurechnen lassen muss, die er durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2010 - 10 UF 32/10, juris).
2. Anzurechnende Kindergeldzahlungen vermindern die Klageforderung und damit den Gebührenstreitwert für eine Unterhaltsklage (vgl. OLG Brandenburg JurBüro 2001, 94 und 418; OLG Karlsruhe JurBüro 2001, 254; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl. 2009, § 51 Rz. 3).
Normenkette
UVG § 7 Abs. 1; SGB 2 § 11; SGB 2 §§ 22, 33 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Beschluss vom 06.09.2010; Aktenzeichen 53 F 133/09) |
Tenor
1. Der Beschluss des AG Neuruppin - Familiengericht - vom 6.9.2010 - 53 F 133/09, wird aufgehoben.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den am 29.5.1999 geborenen ..., zu Händen der Kindesmutter, einen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO in der jeweiligen Altersstufe, abzgl. des hälftigen staatlichen Kindergeldes gem. § 1612b BGB, monatlich im Voraus beginnend ab April 2011 zu zahlen.
3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die am 27.3.2002 geborene ..., zu Händen der Kindesmutter, einen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO in der jeweiligen Altersstufe, abzgl. des hälftigen staatlichen Kindergeldes gem. § 1612b BGB, monatlich im Voraus beginnend ab April 2011 zu zahlen.
4. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Sohn ..., zu Händen der Kindesmutter, einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 920 EUR für die Monate Juni 2010 bis März 2011 zu zahlen.
5. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Sohn ... einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 1.800 EUR für die Monate Juni 2010 bis März 2011 an den Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Jugend- und Betreuungsamt, zu zahlen.
6. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Tochter ..., zu Händen der Kindesmutter, einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 920 EUR für die Monate Juni 2010 bis März 2011 zu zahlen.
7. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für die Tochter ... einen Unterhaltsrückstand i.H.v. 1.800 EUR für die Monate Juni 2010 bis März 2011 an den Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Jugend- und Betreuungsamt, zu zahlen.
8. Der Antragsgegner hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
9. Die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt von ihrem getrennt lebenden Mann als Verfahrensstandschafterin für ihre zwei gemeinsamen minderjährigen Kinder (beide Altersstufe 2) laufenden gesetzlichen Mindestunterhalt.
Die Kinder leben bei der Antragstellerin, die Leistungen nach SGB II bezieht. Jedes Kind erhält monatlich 158 EUR Unterhaltsvorschuss ab 1.10.2009 und 180 EUR ab 1.1.2010 (19a, 20 GA).
Ihren am 23.10.2009 eingereichten Antrag hat das AG dem Antragsgegner am 25.5.2010 (29/30, 32 GA) zustellen lassen.
Der Antragsgegner hat geltend gemacht, das Jugendamt habe von einer Rechtswahrungsanzeige ihm gegenüber wegen seiner Leistungsunfähigkeit abgesehen und gemeint der Antragstellerin fehle die Aktivlegitimation; dessen ungeachtet hat er mit Schriftsatz vom 1.9.2010 erklärt, Kindesunterhaltsansprüche ab Oktober 2009 in beantragter Höhe "abzgl. gezahlte Unterhaltsvorschussleistungen sowie empfangene Leistungen nach dem SGB II" anzuerkennen.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG - Familiengericht - einen gleich lautenden Anerkenntnisbeschluss erlassen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die tenorierten Anrechnungen von Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen nach dem SGB II, die zum einen wegen Abweichung von ihrem Antrag dem Erlass eines Anerkenntnisbeschlusses entgegengestanden hätten und zum anderen dem Beschluss seine Vollstreckbarkeit nähmen. Überdies hebt sie hervor, lediglich Unterhalt für die Zukunft beantragt zu haben.
Die Antragstellerin beantragt, wie zu Nr. 1 - Nr. 7 erkannt.
Der Antragsgegner erkennt hinsichtlich der Anträge Nr. 2 und Nr. 3 an und beantragt im Übrigen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 9.3.2011.
II. Die gem. §§ 58, 63, 117 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Antragstellerin ist beschwert (§ 59 Abs. 1 FamFG), denn das AG hat ihr weniger zugesprochen als beantragt, indem es die Anrechnung von Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen nach SGB II für die wiederkehrenden Leistungen (vgl. § 258 ZPO...