Leitsatz (amtlich)
Den Ehegatten ist im isolierten Versorgungsausgleichsverfahren gem. Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG angesichts der für den Laien unüberschaubaren Materie stets ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Normenkette
FamFG § 78
Verfahrensgang
AG Lübben (Beschluss vom 08.05.2012; Aktenzeichen 30 F 597/09) |
Tenor
Der Beschluss des AG Lübben (Spreewald) vom 8.5.2012 wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird im Umfang der bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt ... beigeordnet.
Gründe
I. Die Ehe der Beteiligten wurde mit Urteil vom 6.4.2001 geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren ausgesetzt. Mit Verfügung vom 16.1.2012 hat das AG das Versorgungsausgleichsverfahren gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG wieder aufgenommen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 20.3.2012 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt.
Das AG hat mit Beschluss vom 8.5.2012 dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes hat es mit der Begründung, die Sach- und Rechtslage weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, zurückgewiesen.
Gegen die Ablehnung der Beiordnung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten sei geboten, da ein "Normalbürger" nicht in der Lage sei, Rentenauskünfte der Rentenversicherungsanstalten zu lesen, zu verstehen und zu überprüfen.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der in § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung, nachdem die Einzelrichterin die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung gem. § 76 Abs. 2 FamFG, § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO auf den Gesamtspruchkörper übertragen hat.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das AG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage, ob dem Antragsteller vorliegend ein Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, § 78 Abs. 2 FamFG zur Anwendung kommt.
Ein vom Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrenntes Verfahren zum Versorgungsausgleich wird nach Wiederaufnahme nach dem 1.9.2009 als "selbständige Familiensache" fortgeführt und verliert seine Eigenschaft als Folgesache (BGH, XII ZB 261/10, Beschluss vom 16.2.2011, FamRZ 2011, 635). Demgemäß entfällt auch die Erstreckung der nach § 624 Abs. 2 ZPO a.F. bewilligten Prozesskostenhilfe für das neue, nunmehr selbständige Verfahren über den Versorgungsausgleich, für das deshalb erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt und bewilligt werden muss. Da für selbständige Versorgungsausgleichssachen dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 FamFG gemäß kein Anwaltszwang besteht, richtet sich Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 78 Abs. 2 FamFG (BGH, a.a.O.).
Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG NJW-RR 2007, 1713). Maßgebend sind dabei neben Umfang und Schwierigkeit der konkreten Sache auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken. Für einen Beteiligten kann sich ein Verfahren allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer solchen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Darüber hinaus kann sich die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten beurteilen (BGH, XII ZB 232/09, Beschluss vom 23.6.2010, FamRZ 2010, 1427; BGH, XII ZB 218/11, Beschluss vom 13.6.2012, FamRZ 2012, 1290). Eine Herausbildung von Regeln, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, ist aufgrund der einzelfallbezogenen Betrachtung nach der Rechtsprechung des BGH allerdings nur in engen Grenzen zulässig (BGH FamRZ 2010, 1427). Gänzlich ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. So hält der BGH in Vaterschaftsanfechtungsverfahren aufgrund der Schwierigkeit der Rechtslage regelmäßig die Beiordnung eines Rechtsanwaltes für geboten (BGH FamRZ 2012, 1290).
Gemessen an diesen Grundsätzen hält der Senat vorliegend die Voraussetzungen einer Beiordnung für gegeben, ohne dass es auf die konkreten subjektiven Fähigkeiten des Antragstellers ankommt. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob das Verfahren im Vergleich zu anderen Versorgungsausgleichsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, weil nur Anrechte in der gesetz...