Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe in Familiensachen: Beiordnung eines Rechtsanwalts im selbständigen Versorgungsausgleichsverfahren
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 7, § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Jena (Beschluss vom 09.11.2012; Aktenzeichen 2 F 1181/12) |
Tenor
Der Beschluss des AG - Familiengericht - Gera vom 9.11.2012 - 2 F 1181/12 wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird im Umfang der bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt ..., beigeordnet.
Gründe
I. Die Ehe der Beteiligten wurde mit Urteil vom 7.2.2002 geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren ausgesetzt.
Mit Beschluss vom 7.9.2012 hat das AG das Versorgungsausgleichsverfahren gem. Art. 111 FGG-RG i. v. m. § 50 Abs. 1 Ziff. 2 VersAusglG wieder aufgenommen, wobei es den Beschluss den im vormaligen Scheidungsverbundverfahren bevollmächtigten Rechtsanwälten der Antragstellerin zustellen ließ.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16.10.2012 sodann Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten beantragt.
Das AG bewilligte der Antragstellerin mit Beschluss vom 9.11.2012 zwar Verfahrenskostenhilfe; lehnte aber die Beiordnung eines Rechtsanwaltes aufgrund der einfachen Sach- und Rechtslage ab.
Gegen die Ablehnung der Beiordnung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht (§§ 127 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) eingelegt worden.
Sie führt in der Sache auch zum Erfolg.
Das AG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das vom Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich nach Wiederaufnahme nach dem 1.9.2009 als "selbständige Familiensache" fortgeführt wird und somit ihre Eigenschaft als Folgesache verliert (vgl. BGH FamRZ 2011, 635-637; so auch OLG Jena vom 24.1.2011 - 1 WF 543/10). Weil somit auch die Erstreckung der Prozesskostenhilfe aus dem Scheidungsverbund gem. § 624 Abs. 2 ZPO a.F. entfallen ist, muss über die beantragte Verfahrenskostenhilfe in dem selbständigen Verfahren neu entschieden werden (vgl. BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).
Entgegen der Ansicht des AG ist der Antragstellerin auch ihr Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe beizuordnen.
In selbständigen Versorgungsausgleichssachen i.S.v. § 111 Nr. 7 FamFG ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwar nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG). Nach § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für derartige Verfahren im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe die Beiordnung eines Anwaltes nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint (vgl. auch BGH FamRZ 2009, 857; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 78 FamFG, Rz. 4 ff.; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 78 Rz. 4).
Die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung beurteilt sich hierbei nach den Umständen des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Maßgebend sind dabei Umfang und Schwierigkeit der konkreten Sache, ferner die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (BVerfG NJW-RR 2007, 1713; vgl. auch BVerfGE 63, 380, 394). Auch die existentielle Bedeutung der Sache oder eine besondere, vom allgemeinen Verfahrensrecht stark abweichende Verfahrensart kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen.
Gemessen daran sind vorliegend die Voraussetzungen einer Beiordnung als erfüllt anzusehen. Denn beim Versorgungsausgleich ist regelmäßig von einer schwierigen Rechtslage auszugehen, da die zu erteilenden Auskünfte und die Berechnungen der Versorgungsträger zu prüfen sind, was partiell bereits Anwälten schwer fällt und daher ungleich mehr juristischen Laien (vgl. Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 2. Aufl., § 78 Rz. 12; Schneider, AGS 2011, 58, 62). Der Aspekt der Prüfung der Auskünfte sowie die Möglichkeiten der Einwirkung auf das Verfahren werden aber gerade vom AG verkannt und damit die Problematik des Versorgungsausgleichs unzulässigerweise auf ein Minimum reduziert.
Unabhängig davon kann das AG zudem die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach den gegebenen Umständen nicht unter Berufung auf § 78 Abs. 2 FamFG ablehnen, nachdem es die im früheren Verbundverfahren tätigen anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin von sich aus mit dem nunmehr durchzuführenden Versorgungsausgleich befasst hat (vgl. OLG Jena vom 24.1.2011 - 1 WF 543/10; OLG Dresden FamRZ 2011, 662).
III. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Beschwerdeführerin aufgrund des Erfolges ihres Rechtsmittels die Beschwerdegebühr (FamGKGKV 1912) nicht zu tragen hat und im Übrigen eine Erstattung der Kosten nicht sta...