Verfahrensgang
AG Schwedt (Aktenzeichen 3 C 141/10) |
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 31 O 220/10) |
Tenor
Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).
Gründe
I. Die Klägerin, ein Versorgungsunternehmen, nimmt den Beklagten auf die Zahlung von - nach teilweiser Zurücknahme der Klage noch - 795,16 € nebst Zinsen für die Lieferung von Erdgas in Anspruch. Der Beklagte macht geltend, dass er Sondervertragskunde sei und daher die der Forderung zu Grunde liegenden Preiserhöhungen unwirksam seien. Im Übrigen seien sie - wie er in der Berufungserwiderung vom 13.12.2010 ausführt - auch unbillig. Er rügt das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Schwedt/Oder. Die Klägerin stützt sich auf das in § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV geregelte Preisanpassungsrecht.
Mit Verfügung vom 01.11.2010 hat das Amtsgericht Schwedt/Oder darauf hingewiesen, dass das Landgericht Frankfurt (Oder) - Kammer für Handelssachen - sachlich zuständig sei. Die Klägerin ist mit Schriftsatz vom 10.11.2010 der Rechtsauffassung des Gerichts entgegen getreten, hat jedoch hilfsweise die Verweisung an das Landgericht Frankfurt (Oder) - Kammer für Handelssachen - beantragt. Dazu hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 23.11.2010 unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung Stellung genommen. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Schwedt/Oder mit Beschluss vom 29.11.2010 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) verwiesen. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat sich nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 01.06.2011 seinerseits für unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Senat vorgelegt.
II. 1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil es für die am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Schwedt/Oder als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt, ersteres durch nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 29.11.2010 und letzteres durch den seine Zuständigkeit abschließend verneinenden Vorlagebeschluss vom 01.06.2011, der als solcher den Anforderungen genügt, die an das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rdnrn. 24 f.).
3. Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).
Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 29.11.2010 (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-) Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und der Vermeidung von wechselseitigen (Rück-) Verweisungen ist die Willkürschwelle hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler wie das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung demzufolge grundsätzlich nicht. Hinzu kommen muss dafür vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (statt vieler: Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; MDR 2006, 1184; NJW 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink NJW 2003, 2364, 2364 f.; jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Schwedt/Oder stand:
Der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör ist beachtet worden.
Der Verweisungsbeschluss entbehrt auch nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage.
Zwar teilt der Senat die vom Amtsgericht Schwedt/Oder vertretene Rechtsauffassung, wonach sich für das streitgegenständliche Verfahren aus § 102 EnWG eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte ergibt, nicht. Gemäß § 102 Abs. 1 EnWG sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. Dies gilt gemäß § 102 Abs. 2 EnWG auch dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach diesem Gesetz zu treffen ist. Mit ihrer Klage macht die Klägerin Versorgungsentgelte gegenüber dem Beklagten geltend,...