Leitsatz (amtlich)
1. Wenn es um den Umgang des Vaters mit dem Kind geht und eine Weigerungshaltung des 9 Jahre alten Kindes im Raume steht, mithin Bindungen und Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind, besteht gem. § 159 Abs. 2 FamFG die grundsätzliche Verpflichtung für das AG, das Kind anzuhören. Will das Gericht dennoch von der Anhörung absehen, müssen die tragenden Gründe in der Entscheidung dargelegt werden.
2. Das Anhörungserfordernis nach § 159 FamFG besteht unabhängig von der grundsätzlich weiter bestehenden gesetzlichen Vertretung des Kindes durch die sorgeberechtigten Eltern.
3. Zu den Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, und in denen gem. § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG das Gericht die Eltern persönlich anhören soll, gehört das Umgangsverfahren.
4. Eine umfangreiche oder aufwendige - gesetzlich vorgeschriebene - Anhörung kann ebenso wie eine umfangreiche oder aufwendige Beweiserhebung die Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG rechtfertigen.
5. Von der Möglichkeit, mit Rücksicht auf einen wesentlichen Verfahrensfehler die Sache an das AG zurückzuverweisen, ist nur ausnahmsweise Gebrauch zu machen. So kann es liegen, wenn in einer Kindschaftssache nicht eine rasche Entscheidung über den Umgang des Vaters im Vordergrund steht, sondern gemeinsame Anstrengungen der Eltern, die Bereitschaft des Kindes zu Kontakten zum Vater zu fördern und in Betracht zu ziehen ist, das Verfahren im Hinblick auf eine außergerichtliche Konfliktbeilegung gem. §§ 155 Abs. 4, 21 FamFG auszusetzen.
6. Der Aufhebung und Zurückverweisung steht, wenn dem AG ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen ist, nicht die Vorschrift des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG entgegen, aus der sich ergibt, dass das Beschwerdegericht grundsätzlich die in erster Instanz unterbliebenen Verfahrenshandlungen selbst durchführen muss.
Normenkette
FamFG §§ 69, 159-160
Verfahrensgang
AG Luckenwalde (Aktenzeichen 31 F 261/12) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Seit der Trennung der Eltern im März 2011 lebt das Kind bei der Antragsgegnerin. Unter dem 23.12.2011 leitete der Vater ein Verfahren zur Regelung des Umgangs ein. Vor dem AG schlossen die Eltern am 26.1.2012 eine Vereinbarung über den Umgang. Durch Beschluss vom selben Tag (31 F 557/11) stellte das AG unter Hinweis auf den übereinstimmenden Willen der Beteiligten die Erledigung des Umgangsverfahrens und damit den Abschluss des Verfahrens fest.
Mit Schriftsatz vom 26.6.2012 hat der Vater erneut ein Umgangsverfahren eingeleitet und dabei darauf hingewiesen, die Mutter habe seit dem 27.5.2012 die Elternvereinbarung vom 26.1.2012 einseitig nicht länger umgesetzt. Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Umgang des Vaters mit dem Kind im Einzelnen geregelt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sache sei nach den weitgehend übereinstimmenden Vorstellungen und der weiterhin grundsätzlich geltenden Übereinkunft aller Beteiligten aus dem Verfahren 31 F 557/11 entscheidungsreif und der Umgang damit abschließend zu regeln. Wegen der gleichgelagerten Umstände habe es keiner erneuten persönlichen Anhörung der Beteiligten bedurft. Auch sei eine persönliche Anhörung des Kindes, die selbst einen Eingriff in das Kindeswohl darstelle, entbehrlich.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie verweist darauf, dass die Tochter den Umgang mit dem Vater nachhaltig verweigert habe. Eine Kindesanhörung sei deshalb geboten gewesen. Auch habe das Jugendamt in seinem Bericht vom 2.7.2012 gerade keine abschließende Stellungnahme abgegeben. Sie, die Mutter, habe angesichts der kurzen Stellungnahmefrist durch das AG bis zum 3.7.2012 wegen des Urlaubs ihres Verfahrensbevollmächtigten keine weitere Stellungnahme abgeben können. Die Sache sei entgegen der Auffassung des AG nicht entscheidungsreif gewesen und eine weitere Sachverhaltsaufklärung dringend erforderlich.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Antragsgegnerin habe nicht im Einzelnen dargelegt, was sie unternehme, um auf das Kind einzuwirken, damit der Umgang stattfinden könne. Die Aussetzung des vereinbarten Umgangs sei daher mutwillig.
II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde führt sich aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Das Verfahren vor dem AG leidet an einem wesentlichen Mangel, der auf Antrag der Antragsgegnerin zur Aufhebung und Zurückweisung an das AG gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG führt.
1. In erster Instanz ist verfahrensfehlerhaft die Anhörung der Eltern und des Kindes unterblieben.
a) Gemäß § 159 Abs. 2 FamFG ist das Kind, wenn es das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, persönlich ...