Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers gem. § 70b FGG ist unanfechtbar.

2. Der Verstoß gegen die funktionelle Unzuständigkeit (hier: Entscheidung des Familien- statt des VormG) eröffnet kein ausserordentliches Rechtsmittel. Dies gilt sowohl für die Verfahren nach der ZPO als auch für solche nach dem FGG.

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Beschluss vom 15.09.2003; Aktenzeichen 52 F 242/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

Die Kosten folgen der Hauptsache.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 300 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die ausdrücklich beim Brandenburgischen OLG eingelegte sofortige Beschwerde gegen die Verfahrenspflegerbestellung ist unzulässig.

1. Eine Anfechtung der Bestellung des Verfahrenspflegers mit der sofortigen Beschwerde gem. § 70 m Abs. 1 FGG als das an sich statthafte Rechtsmittel scheidet aus. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den untergebrachten Betroffenen gem. § 70b FGG im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme ist grundsätzlich unanfechtbar, da es sich um eine nicht gesondert anfechtbare Zwischenentscheidung handelt (OLG Brandenburg v. 9.12.1999 – 10 WF 238/99, OLGReport Brandenburg 2000, 269 = FamRZ 2000, 1295 f.; Keidel/Kuntze/Winkler, Kommentar zum FGG, 15. Aufl. 1993, § 67 Rz. 18 m.w.N.).

2. Die hiernach unzulässige sofortige Beschwerde ist auch nicht als außerordentliche sofortige Beschwerde ausnahmsweise zuzulassen.

Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass gegen unanfechtbare Entscheidungen in Ausnahmefällen krassen Unrechts aus rechtsstaatlichen Gründen eine in den Verfahrensordnungen nicht vorgesehene Beschwerde dann zulässig ist, wenn die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd bzw. mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, so genannte greifbare Gesetzeswidrigkeit (OLG Brandenburg FPR 2002, 23 [24]; für den Bereich des FGG vgl. OLG Brandenburg v. 10.1.2000 – 9 Wx 36/99, FamRZ 2000, 980).

Die Bestellung des Pflegers beruht hier auf den §§ 67, 70b FGG, auf die das AG in der angefochtenen Entscheidung auch ausdrücklich Bezug genommen hat. Für Unterbringungsmaßnahmen, mit Ausnahme solcher nach § 1631b BGB, ist das VormG zuständig, § 70 Abs. 1 S. 3 FGG. Damit obliegt dem VormG auch die Bestellung des Verfahrenspflegers gem. § 70b FGG.

Obgleich das AG – FamG – damit gegen die funktionelle Zuständigkeit verstoßen hat, eröffnet dies der Beschwerdeführerin kein außerordentliches Rechtsmittel.

Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die funktionelle Unzuständigkeit des FamG weder erstinstanzlich noch in der Begründung ihrer Beschwerde gerügt hat. Eine außerordentliche Beschwerde kann aber nur dann eröffnet sein, wenn der Beschwerdeführer die eine greifbare Gesetzeswidrigkeit darstellenden Gründe im Einzelnen schlüssig vorbringt (Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, Kommentar zum FGG, 15. Aufl. 1993, § 19, Rz. 39 bei Fn. 276).

Darüber hinaus stellt der Verstoß gegen die funktionelle Unzuständigkeit selbst keinen Grund dar, der die Eröffnung eines außerordentlichen Rechtsmittels rechtfertigt.

So hat der Verstoß gegen die funktionelle Unzuständigkeit nicht die Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Entscheidung über die Bestellung des Pflegers zur Folge. Nach § 7 FGG sind gerichtliche Handlungen nicht unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen sind. Diese die örtliche Zuständigkeit betreffende Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus auf sämtliche Fälle gerichtlicher Unzuständigkeit anzuwenden. Hiernach sind gerichtliche Handlungen, die gegen Zuständigkeitsvorschriften verstoßen, nicht unwirksam, vielmehr lediglich anfechtbar (OLG Brandenburg DAVorm 2000, 428 m.w.N.; Keidel/Kunze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl. 2003, § 7 Rz. 24a ff.). Wirksam ist daher beispielsweise der Beschluss des VormG in einer dem FamG zugewiesenen Sache (OLG Brandenburg DAVorm 2000, 428; Keidel/Kunze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl. 2003, § 7 Rz. 26b; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 198). Nichts anderes kann dann in dem umgekehrten, hier vorliegenden Fall gelten. Liegt hiernach aber keine die Nichtigkeit der getroffenen gerichtlichen Maßnahme herbeiführender Verstoß vor, so stellt der entspr. Verstoß keinen Fall krassen Unrechts dar.

Zwar kann eine greifbare Gesetzeswidrigkeit gleichwohl dann gegeben sein, wenn ein Gericht eindeutige Zuständigkeitsvorschrift missachtet (OLG Brandenburg FGPrax 2003, 129 für Verweisungsbeschlüsse nach § 281 ZPO). Dieser Einwand findet aber auf Grund der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Reform der ZPO im Rechtsmittelverfahren keine Beachtung mehr und kann deshalb auch kein außerordentliches Rechtsmittel begründen. Nach den Vorschriften der §§ 513 Abs. 2, 571 Abs. 2 S. 2, 621e Abs. 4 ZPO n.F. können Rechtsmittel nicht (mehr) darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Erfasst werden dabei alle Zuständigkeitsfragen und damit auch Verstöße gegen die funktionelle Zuständigkeit (Zölle...

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