Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Kein Rechtsschutzbedürfnis für die Unterhaltsklage eines volljährigen Kindes bei Bestehen eines dynamischen Unterhaltstitels nach der RegelbetragVO
Leitsatz (amtlich)
Für eine Leistungsklage, mit welcher ein volljähriges Kind Unterhalt einklagt, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein zeitlich unbegrenzter dynamischer Titel auf Unterhalt nach der RegelbetragVO vorliegt.
Normenkette
ZPO § 323
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 09.07.2008; Aktenzeichen 2 F 284/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das AG den Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zurückgewiesen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1. Zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass für die von der Klägerin eingereichte Leistungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Denn mit der Jugendamtsurkunde vom 5.9.2001 liegt ein Unterhaltstitel vor, aus dem die Klägerin vollstrecken kann (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., vor § 253 Rz. 18a). Soweit sie der Meinung ist, nunmehr höheren Unterhalt beanspruchen zu können, ist sie auf die Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu verweisen (vgl. zur Abänderung von Jugendamtsurkunden auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323 Rz. 47).
Der Abänderbarkeit der Jugendamtsurkunde vom 5.9.2001 steht nicht entgehen, dass die Klägerin inzwischen volljährig ist. Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes ist identisch mit dessen Unterhaltsanspruch nach Eintritt der Volljährigkeit. Demzufolge kann ein Kind, wenn es während seiner Minderjährigkeit einen Unterhaltstitel gegen seine Eltern erlangt hat, auch nach Eintritt der Volljährigkeit ein Erhöhungsbegehren im Wege der Abänderungsklage geltend machen (BGH FamRZ 1984, 682; OLG Zweibrücken, NJWE-FER 2000, 53; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323 Rz. 21). Auch vorliegend ist der durch Jugendamtsurkunde titulierte Unterhalt nicht etwa, wie es gelegentlich geschieht, auf die Zeit bis zum Eintritt der Volljährigkeit beschränkt.
Allein der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass Unterhalt in Höhe eines Prozentsatzes des Regelbetrages tituliert ist, ändert nichts an der Vollstreckbarkeit auch für die Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit. Mit dem Regelbetrag als Bezugsgröße nach § 1612a BGB a.F. und der in der Jugendamtsurkunde angeordneten hälftigen Anrechnung des Kindergeldes ist der zu zahlende Unterhalt auch für die Zeit ab Eintritt der Volljährigkeit hinreichend bestimmt. Auf die Frage, dass bei einer Neubemessung des Unterhalts für das nun volljährige Kind die Bezugsgröße nicht mehr verwendet werden könnte und auch die Kindergeldanrechnung anders zu erfolgen hätte (vgl. hierzu BGH FamRZ 2006, 99), kommt es dabei nicht an. Auch der Umstand, dass es nun mit dem Mindestunterhalt nach § 1612a BGB n.F. eine neue Bezugsgröße gibt, ändert an der Beurteilung nichts. Denn die Vorschrift des § 36 Nr. 3 EGZPO stellt sicher, dass auf der Grundlage der alten Bezugsgröße ergangene Unterhaltstitel weiterhin in der bisherigen Höhe vollstreckbar sind. Nur soweit eine Umstellung auf die neue Bezugsgröße erforderlich ist, erfolgt eine Umrechnung unter Beibehaltung des bisherigen Zahlbetrages (vgl. auch Anlage III der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, Stand 1.1.2008 sowie Gutjahr, NJW 2008, 1985, 1986).
2. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin im Wege der Auslegung oder der Umdeutung (vgl. hierzu Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Schael, § 1 Rz. 393) davon ausginge, sie begehre eine Neufestsetzung des zu zahlenden Unterhalts im Wege der Abänderungsklage, bliebe es bei dem Ergebnis, dass ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Nach der Jugendamtsurkunde vom 5.9.2001 sind 164,5 % des Regelbetrags der dritten Altersstufe nach § 2 RegelbetragVO abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein Zweitkind tituliert. Auszugehen ist von dem letzten Regelbetrag (Ost) nach der bis 31.12.2007 geltenden RegelbetragVO. Danach sind für die dritte Altersstufe 267 EUR anzusetzen. 164,5 % hiervon ergeben unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. einen Betrag von 440 EUR. Setzt man hiervon das hälftige Kindergeld mit 77 EUR ab, verbleiben 363 EUR. Dieser Betrag liegt noch über dem nun von der Klägerin verlangten Kindesunterhalt. Eine Abänderungsklage ginge damit ins Leere.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2147614 |
FamRZ 2009, 1692 |
OLGR-Ost 2009, 475 |