Leitsatz (amtlich)
1. Nach gegenwärtigem Recht kann eine Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH in einen anderen Mitgliedstaat der EU nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen werden.
2. Dies steht auch im Hinblick auf die de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung und die Caixa-Bank-Entscheidung des EuGH nicht in Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.
3. Da die Grundsätze der Daily-Mail-Entscheidung des EuGH weiterhin gelten, bedarf es hierzu keiner Vorabentscheidung des EuGH.
Normenkette
GmbHG § 4a; EG Art. 43, 48, 234
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Beschluss vom 01.06.2004; Aktenzeichen 6 T 6/04) |
AG Neuruppin (Aktenzeichen 66 HRB 6732) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen des LG Neuruppin vom 1.6.2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
Gründe
I. Die 1991 in W. gegründete Antragstellerin ist nach wiederholter Sitzverlegung seit dem 13.10.2003 mit Sitz in Bötzow im Handelsregister des AG Neuruppin eingetragen.
Durch Abtretung erwarb der italienische Staatsangehörige S. M. sämtliche Geschäftsanteile an der Antragstellerin. Mit notarieller Urkunde v. 4.12.2003 bestellte sich der Alleingesellschafter unter Abberufung des bisherigen Geschäftsführers zum neuen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer und beschloss, den Sitz der Gesellschaft unter Änderung der Satzung nach P. (Italien) zu verlegen. Durch weitere Urkunde vom gleichen Tage meldete er die Änderungen bei dem Handelsregister an und beantragte, die Eintragungen auch getrennt vorzunehmen.
Das Registergericht hat den Geschäftsführerwechsel im März 2004 eingetragen. Die Anmeldung der Sitzverlegung hat das Gericht durch Beschluss v. 11.5.2004 zurückgewiesen, weil die Verlegung des Sitzes ins Ausland nicht eintragungsfähig sei. Nach deutschem Gesellschaftsrecht könne die in Deutschland errichtete GmbH ihren Sitz nicht identitätswahrend in das Ausland, auch nicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat, verlegen. Der Beschluss über die Verlegung des Satzungssitzes nach Italien habe die Auflösung der GmbH zur Folge.
Die Versagung der Eintragung der Sitzverlegung hat die Antragstellerin mit der Beschwerde angefochten. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Das LG hat sich der Beurteilung des Registergerichts angeschlossen. Gegen die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung v. 1.7.2004 wendet sich die Antragstellerin mit der weiteren Beschwerde. Sie rügt einen Verstoß gegen das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH könne an der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung nicht länger festgehalten werden.
II. Die weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig, insb. formgerecht eingelegt (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, denn die angefochtene Beschwerdeentscheidung des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
1. Amts- und LG als Tatsacheninstanzen sind erkennbar davon ausgegangen, dass der Gesellschafterbeschluss v. 4.12.2003 darauf gerichtet ist, sowohl den Satzungssitz als auch den effektiven Verwaltungssitz nach Italien zu verlegen und die Geschäfte künftig von der im Beschluss angegebenen italienischen Geschäftsadresse aus zu führen. Die weitere Beschwerde gibt keinen Anlass, einen anderen Sachverhalt anzunehmen. Die Antragstellerin stützt ihr Rechtsmittel auf die Rüge, die nach dem Gemeinschaftsrecht der EU zu gewährleistende Niederlassungsfreiheit verbiete es, eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats darin zu behindern, ihre Tätigkeit in einem anderem Mitgliedstaat auszuüben.
2. Die mit der weiteren Beschwerde erhobene Rüge verfängt nicht. Die von der Antragstellerin angemeldete Sitzverlegung nach Italien ist zu Recht abgelehnt worden. Die satzungsändernde Verlegung des Sitzes einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH in das Ausland kann nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen werden. Das gilt auch für die Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat der EU. Das Gemeinschaftsrecht ist nicht verletzt.
a) Eine Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz in das Ausland führte nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht - welches von der Sitzanknüpfung ausgeht - zu einem Wechsel des Gesellschaftsstatuts, gleichviel ob der Zuzugstaat seinerseits der Sitz- oder aber der Gründungstheorie folgt (OLG Hamm v. 1.2.2001 - 15 W 390/00, GmbHR 2001, 440 = OLGReport Hamm 2001, 198 = NJW 2001, 2183 f.; v. 30.4.1997 - 15 W 91/97, GmbHR 1997, 848 = NJW-RR 1998, 615; BayObLG v. 7.5.1992 - 3Z BR 14/92, AG 1992, 456 = MDR 1992, 1039 = BayObLGReport 1992, 58 = GmbHR 1992, 529 = NJW-RR 1993, 43 ff.; Staudinger/Großfeld, IntGesR, Aufl. 1998, Rz. 606, 656; Kindler in MünchKomm/IntGesR, Bd. 11, 3. Aufl., Rz. 400; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 4a Rz. 22; Michalski/Leible, GmbHG, Bd....