Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbillige Härte bei ungleichen Renten infolge des Versorgungsausgleichs. Versorgungsausgleichsverfahren: Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ausschluss des Versorgungsausgleich im Falle ständiger körperlicher Übergriffe des Ausgleichsberechtigten; Sinnverfehlung des Versorgungsausgleichs wegen nicht ausgewogener sozialer Sicherheit, wenn der Ausgleichspflichtige auf die eigenen Anrechte dringend angewiesen ist.
Normenkette
BGB a.F. § 1587c Nr. 1
Verfahrensgang
AG Strausberg (Urteil vom 20.06.2007) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Ausspruch über den Versorgungsausgleich im Urteil des AG Strausberg vom 20.6.2007 abgeändert.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das vorliegende Verfahren ist vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden, so dass nicht das am 1.9.2009 in Kraft getretene FamFG, sondern das bisherige Verfahrensrecht anzuwenden ist, Art. 111 FGG-RG.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist somit gem. §§ 629a Abs. 2, 621e ZPO zulässig. Sie ist auch begründet. Ein Versorgungsausgleich zugunsten des Antragsgegners findet nicht statt. Der Senat entscheidet ohne die § 53b Abs. 1 FGG vorgesehene mündliche Verhandlung. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden, der Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt und eine Einigung nicht zu erwarten, so dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann (Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., § 53b, Rz. 5).
Die Beteiligten zu 1. bis 3. und 5. haben ihre Auskünfte über die in der Ehezeit vom 1.9.1981 bis zum 31.8.2006 (§ 1587 Abs. 2 BGB) erworbenen Renten und Versorgungsbezüge der Parteien im Beschwerdeverfahren bestätigt, so dass weiterhin von den auch vom AG herangezogenen Auskünften auszugehen ist. Lediglich die Beteiligte zu 4. hat ihre Auskunft über die beamtenrechtliche Versorgung der Antragstellerin angepasst und anstelle der auf die Ehezeit entfallenden Versorgung von 1.199,11 EUR mit Auskunft vom 9.3.2009 eine solche von 1.187,56 EUR angegeben.
Zudem ist auf Seiten der Antragstellerin, die ebenso wie der Antragsgegner bereits am Ende der Ehezeit Versorgungsbezüge erhalten hat, die Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt der D. (V ...) zu berücksichtigen. Ihr Ehezeitanteil beläuft sich nach der bestätigten Auskunft der V ... vom 27.11.2006 auf 23,04 EUR. Er ist mit seinem Nominalbetrag und ohne Umrechnung nach der BarwertVO auszugleichen, weil die Versorgung schon am Ende der Ehezeit bezogen wurde (vgl. dazu BGH FamRZ 2007, 1084 ff., 1086). Stellt man nun auch dieses Anrecht, was das AG nicht getan hat, in die Berechnung ein und ermittelt den Versorgungsausgleich so, wie vom AG im Übrigen zutreffend dargestellt, ergibt sich ein ggü. der angefochtenen Entscheidung des AG leicht erhöhter Ausgleichsbetrag zugunsten des Antragsgegners von 258,35 EUR [= [(114,63 EUR + 1.187,56 EUR + 23,04 EUR) - (726,88 EUR + 81,66 EUR)]: 2].
Da dieser Ausgleichsbetrag den vom AG ermittelten übersteigt, muss es grundsätzlich bei dem vom AG ermittelten Ausgleichsbetrag von 252,60 EUR verbleiben. Denn der ausgleichspflichtigen Antragstellerin, die Beschwerde eingelegt hat, darf wegen des Verschlechterungsverbots von ihren Anrechten nicht mehr genommen werden, als dies in der angefochtenen Entscheidung geschehen ist (vgl. dazu Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 621e, Rz. 68).
Der somit an sich im Umfang von 252,60 EUR vorzunehmende Versorgungsausgleich ist jedoch gem. § 1587c Nr. 1 BGB auszuschließen. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr muss sich die grobe Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters von § 1587c Nr. 1 BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (BGH, FamRZ 2009, 303 ff., 306; FamRZ 2007, 1964; FamRZ 2006, 769).
Daher kann schuldhaftes Fehlverhalten zum Nachteil des Ehegatten berücksichtigt werden. Allerdings gilt dies nur dann, wenn die Verfehlungen wegen der Auswirkungen auf den loyalen Ehegatten ganz besonders ins Gewicht fallen, also sich etwa über einen lang andauernden Zeitraum erstreckt haben, oder sich zwar auf einen einzigen, dann aber außergewöhnlich schwer wiegenden Vorfall beschränken (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Au...