Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Streit getrennt lebender Eltern, die jeweils das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren acht Jahre alten Sohn allein für sich beanspruchen
Leitsatz (redaktionell)
Sind getrennt lebende Eltern, nach dem das eine Zeit lang praktizierte Wechselmodell gescheitert ist, trotz des dringenden Wunsches des achtjährigen Kindes, die Eltern mögen sich über seinen dauerhaften Aufenthalt verständigen, weiterhin kommunikationsunfähig und infolgedessen nicht in der Lage, sich im Interesse und Wohl des Kindes dauerhaft seinen Aufenthalt und ein einheitliches Erziehungskonzept zu einigen, kann es gerechtfertigt sein, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und einem Pfleger zu übertragen.
Normenkette
BGB § 1666; ZPO § 621e
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 02.06.2009; Aktenzeichen 20 F 102/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Nauen vom 2.6.2009 - 20 F 102/07 - unter teilweiser Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:
Den Kindeseltern wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das minderjährige Kind D. F., geboren am ... April 2002, entzogen.
Insoweit wird das Jugendamt ... zum Pfleger bestimmt.
Im Übrigen verbleibt es bei der elterlichen Sorge der Kindeseltern für ihr gemeinsames Kind D.
Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien sind die Eltern des am ... April 2002 geborenen Kindes D. Sie streiten seit ihrer im Juli 2007 erfolgten Trennung um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames Kind.
Nachdem die Kindesmutter zunächst mit dem gemeinsamen Kind die Ehewohnung verlassen hatte, ist sie nach einer entsprechenden Einigung der Kindeseltern in einem einstweiligen Verfahren in eine Wohnung in E. - dem Wohnort der Kindeseltern - gezogen. D. besucht seit September 2008 die Grundschule und wurde zunächst im sog. Wechselmodell mit wöchentlichem Wechsel, sowohl vom Vater als auch von der Mutter versorgt und betreut.
Während der beim Vater verbrachten Woche besuchte D. vor Schulbeginn und nach Schul-ende den Kinderhort.
Nachdem beide Kindeseltern zu der Auffassung gelangt waren, dass das Wechselmodell für das Wohl ihres Sohnes D. nicht förderlich sei, haben beide Eltern die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge insoweit beantragt, als sie jeweils das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn D. allein für sich beantragt haben.
Gemäß dem Beweisbeschluss vom 23.9.2008 hat das AG Nauen ein Sachverständigengutachten eingeholt (s. zum Inhalt des Beweisbeschlusses im Einzelnen Bl. 90 f. d.A.), das der bestellte Sachverständige Dr. E. S. am 8.4.2009 erstattet hat. Der Begutachtungszeitraum hat sich nach Angaben des Gutachters von September 2008 bis März 2009 erstreckt. Wegen des Weiteren Inhalts des Sachverständigengutachtens im Einzelnen wird auf das Gutachten Bl. 127 bis 196 d.A. verwiesen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind D. dem Kindesvater allein übertragen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die gravierenden Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern die Aufhebung der gemeinsamen Elternverantwortung im Hinblick auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Wohl des gemeinsamen Sohnes D. zwingend erforderlich machten. Die Eltern seien gegenwärtig ausschließlich unter Mediation in der Lage, einvernehmlich im Interesse ihres gemeinsamen Sohnes zu handeln. Sie blockierten sich und den jeweils anderen auf Grund individueller Egoismen und teilweise auch nur aus Trotz. Nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens sei gegenwärtig davon auszugehen, dass der Kindesvater eine größere Bindungstoleranz zeigen könne und sich auch in der Mediation nachgiebiger und kompromissbereiter gezeigt habe. Zudem sei die Mutter für das Kind D. nur auf der Verbalebene die primäre Bezugsperson, während auf der Darstellungsebene und bei anderen Verhaltensparametern eindeutig der Kindesvater einen Vorsprung habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die befristete Beschwerde der Kindesmutter, die sie im Wesentlichen damit begründet, dass die Entscheidung des AG verfahrensfehlerhaft ergangen sei. Es habe dem AG oblegen, dem Kind D. einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Dies sei bereits durch die Feststellung, dass D. in starken Loyalitäts- und Ambivalenzkonflikten stecke, unbedingt erforderlich gewesen. Der Senat hat den Sachverständigen Dr. S ... in der Sitzung zur mündlichen Verhandlung vom 12.8.2009 persönlich zu seinen Ausführungen im Gutachten befragt. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.8.2009, Bl. 321 d.A., verwiesen. Im Anschluss daran hat der Senat das Kind D. F. persönlich angehört.
Im Anschluss an den Termin vom 12.8.2009 haben die Kindeseltern zu den Herbst- und Weihnachtsferien eine einverständliche Vereinbarung getroffen. Während eines Treffens der Parteien beim Jugendamt in N. haben sie sich am 1.9.2009 auf eine "Umgangsvereinbarung" geeinigt, nach deren Inhalt gleichzeitig der ständige Aufenth...