Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird ihr ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt ("Name01") beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe.

Die Beteiligten sind seit November 2021 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie betreuen ihre vier gemeinsamen Kinder im paritätischen Wechselmodell. Durch notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung vom 6.9.2021 haben sie unter anderem vereinbart:

"§ 2 Vereinbarungen

...

7. Kindesunterhalt, Umgang, Aufenthaltsbestimmungsrecht

...

Die Erschienenen stellen sich wechselseitig von Kindesunterhaltsansprüchen des jeweils anderen Elternteils bei Einhaltung des Wechselmodells im Innenverhältnis frei. ...

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht liegt bei der Ehefrau. Die Ehefrau wird auch weiterhin - wie bisher - das Kindergeld erhalten. ..."

Der Antragsgegner hat bei der Familienkasse Berlin-Brandenburg im Februar 2023 die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die gemeinsamen Kinder ab Januar 2023 sowie die Einstellung der Auszahlung des Kindergeldes an die Antragstellerin mangels einvernehmlicher Bestimmung des Bezugsberechtigten durch beide Eltern erwirkt (vgl. Bl. 27 ff.).

Für ihren Antrag auf die Bestimmung, dass sie die Bezugsberechtigte für das Kindergeld der vier gemeinsamen Kinder der Beteiligten ist, erstrebt die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.

Das Amtsgericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin wegen Mutwillens unter Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens und die fehlende Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung abgelehnt. Dem hiergegen gerichteten, mit einer Begründung versehenen Rechtsmittel der Antragstellerin (Bl. 43 f. VKH) hat es nicht abgeholfen. Die Gründe jenes Beschlusses lauten: "Die Entscheidung beruht auf § 68 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Auf die weiterhin zutreffende Begründung wird Bezug genommen." (Bl. 45 VKH).

II. 1. Ungeachtet von Mängeln des Abhilfeverfahrens entscheidet das Beschwerdegericht selbst. Das Amtsgericht hat verfahrensfehlerhaft das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin nicht berücksichtigt und den Nichtabhilfebeschluss nicht begründet und damit den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, 52 Abs. 3 VerfBbg) verletzt.

Der Verweis des Amtsgerichts zur Begründung der Nichtabhilfe auf die "im angefochtenen Beschluss genannten Gründe[n]" (Bl. 45 VHK) ist unzureichend, da er sich auf eine formelhafte Behauptung beschränkt und die von der Antragstellerin zur Begründung ihres Rechtsmittels vorgebrachten Umstände vollständig übergeht. Das Amtsgericht hat mit der Nichtabhilfe nicht dargelegt, weshalb es die Hinweise der Antragstellerin auf die jedenfalls von ihr empfundene Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowie auf ihre geringen Rechtskenntnisse für unzureichend halte. Ob die Antragstellerin auch ohne anwaltliche Beratung alles vortragen könnte, was ihren Rechten und Interessen im vorliegenden Verfahren Geltung verschaffen könnte, hätte der Erörterung bedurft.

Die Verfahrensfehler würden die Aufhebung der Abhilfeentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Abhilfeverfahrens rechtfertigen. Das Beschwerdegericht ist gleichwohl berechtigt, auch dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn Abhilfebeschluss oder -verfahren an Mängeln leiden. In Ansehung der von der Antragstellerin dargelegten Eilbedürftigkeit (Bl. 43 HA) und der Entscheidungsreife übt das Beschwerdegericht sein durch §§ 76 Abs. 2 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO eröffnetes Ermessen dahin aus, selbst über die Beschwerde zu entscheiden.

2. Das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist zulässig.

Insbesondere übersteigt der Verfahrenswert der Hauptsache (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 2. Halbsatz ZPO) den Betrag von 600 EUR. Dabei kommt es im Fall der Bestimmung der Bezugsberechtigung für das Kindergeld auf das mit dem Antrag verfolgte Interesse des Antragstellers an. Dieses Interesse ist im Grundsatz nicht nach § 51 Abs. 3 FamGKG zu bemessen, weil diese Vorschrift lediglich den Wert bzw. bei vier Kindern die Werte (vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG, BeckOK KostR/Neumann, 41. Ed., 1.4.2023, § 51 FamGKG Rn. 56 m.w.N.) für die Bemessung der Gerichtsgebühren festlegt. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter analoger Anwendung der §§ 3 ff. ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse zu schätzen (Dürbeck/Schneider, Kosten im Kindergeldverfahren nach § 231 II FamFG, NZFam 2020, 906).

Bei der hier in Streit stehenden Bezugsberechtigung des Kindergeldes für vier Kinder übersteigt das Interesse der Antragstellerin den Betrag von 600 EUR. Die Regelung der Bezugsberechtigung dient grundsätzlich der Verwaltungsvereinfachung und enthält keine Festlegung, welchem Elternteil das Kin...

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