Leitsatz (amtlich)

1. Das Verfahren nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG betrifft nicht die Festlegung, welchem Elternteil das Kindergeld letztlich zusteht. Es dient nur der Verwaltungsvereinfachung dahingehend, dass für die Familienkasse der Bezugsberechtigte eindeutig feststeht.

2. Bieten bei gemeinsamer elterlicher Sorge und bei Betreuung des Kindes in einem paritätischen Wechselmodell beide Elternteile gleichermaßen die Gewähr dafür, dass das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet wird, kommt dem Kontinuitätsgesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zu und besteht im Regelfall keine Veranlassung, die bislang praktizierte Handhabung abzuändern.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Aktenzeichen 15 F 561/23)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners vom 16.06.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegen vom 06.06.2023 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 600,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind rechtskräftig geschiedene Eheleute.

Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn E. V., geboren am 00.00.2012, hervorgegangen. Das Kind wird von den Beteiligten im paritätischen Wechselmodell betreut.

Zunächst wurde das Kindergeld für E. an die Antragstellerin gezahlt. Im Frühjahr 2023 begehrte der Antragsgegner bei der Familienkasse die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Dem widersprach die Antragstellerin. Daraufhin stellte die Familienkasse die Zahlung des Kindergeldes bis zur Klärung der Bezugsberechtigung ein.

Durch Schriftsatz vom 11.04.2023 hat die Antragstellerin den Antrag gestellt, sie gemäß § 64 EStG als Bezugsberechtigte des Kindergeldes zu bestimmen. Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrages beantragt und darauf verwiesen, dass die Antragstellerin ihm das hälftige Kindergeld vorenthalte.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Antragstellerin zur Berechtigten bestimmt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Werde das Kind im paritätischen Wechselmodell betreut, gelte es als in den Haushalt beider Eltern aufgenommen. Die Bezugsberechtigung richte sich in diesem Fall nach dem Kindeswohl. Böten - wie hier - beide Eltern die Gewähr dafür, dass das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet werde, bestehe wegen des Kontinuitätsgedankens keine Veranlassung, die bisherige Berechtigung der Antragstellerin abzuändern.

Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er verweist weiter darauf, dass ihm die Antragstellerin den Zugang zum hälftigen Kindergeld verwehre. Dadurch sei die finanzielle Versorgung des Kindes eingeschränkt. Der Antragsgegner habe neben seiner (neuen) Ehefrau drei weitere Kinder zu versorgen. Er sei daher auf das Kindergeld für seinen Sohn E. angewiesen.

II. Der Senat kann im schriftlichen Verfahren entscheiden, da das Verfahren nach § 64 EStG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erfordert und deshalb auch im Beschwerdeverfahren von der Durchführung einer solchen abgesehen werden kann (Sternal, in: Keidel, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 68 Rn. 74).

Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie bleibt indes ohne Erfolg.

1. Sie ist bereits unzulässig.

Bei dem Verfahren auf Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG handelt es sich um eine vermögensrechtliche Unterhaltssache im Sinne von § 231 Abs. 2 FamFG. Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist deshalb - wenn das Ausgangsgericht sie nicht gemäß § 61 Abs. 3 FamFG zulässt, was hier nicht erfolgt ist - gemäß § 61 Abs. 1 FamFG nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600,- EUR übersteigt (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 12.09.2013 - 2 WF 29/13, FamRZ 2014, 595).

Das kann hier nicht festgestellt werden.

a) Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich nach dem Interesse des Antragsgegners an der Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin. Dieses Interesse kann nicht pauschal nach § 51 Abs. 3 FamGKG bemessen werden, sondern ist in entsprechender Anwendung der §§ 3 ff. ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers zu bestimmen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2023 - 13 WF 83/23, juris). Der Beschwerdeführer hat konkrete Umstände vorzutragen, aus denen sich ein wirtschaftliches Interesse seinerseits ergibt, das den Wert von 600,- EUR übersteigt (OLG Hamm, a.a.O.).

b) Daran fehlt es hier.

Ein Beschwerdewert von mehr als 600,- EUR ergibt sich nämlich nicht schon daraus, dass der Beschwerdeführer darauf verweist, die Antragstellerin habe ihm für einen gewissen Zeitraum das hälftige Kindergeld "vorenthalten". Denn das Verfahren nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG betrifft nicht die Festlegung, welchem Elternteil das Kindergeld letztlich zusteht. Es dient nur der Verwaltungsvereinfachung dahingehend, dass für die Familienkasse der Bezugsberechtigte eindeutig feststeht (OLG Brandenburg, a.a.O.). Es ist dem Antragsgegner unbenommen, seinen...

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