Leitsatz (amtlich)

1. Wird dem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, so schafft dies eine selbständige Beschwer, der mit einem Rechtsmittel gegen das Scheidungsurteil begegnet werden kann. Das Scheidungsurteil kann mit der Begründung angefochten werden, die Voraussetzungen für eine Abtrennung hätten nicht vorgelegen.

2. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO die Abtrennung der elterlichen Sorge von der Scheidungssache ermöglicht, um eine Entscheidung über die elterliche Sorge bereits für die Zeit der Trennung zu erreichen. Die Regelung ist aber nicht eingeführt worden, um eine beschleunigte Scheidung zu ermöglichen (BGH - XII ZR 172/06 - 01.10.2008; BGH - XII ZB 90/08 - 01.10.2008). Ein Abtrennungsantrag, der der Beschleunigung des Scheidungsverfahrens dient, ist daher als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.

3. Eine außergewöhnliche Verzögerung i.S. des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO liegt in der Regel erst ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren vor. Bei einer Verfahrensdauer zwischen einem und zwei Jahren kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

 

Verfahrensgang

AG (Entscheidung vom 07.10.2008; Aktenzeichen Familiengericht - Oranienburg, 33 F 87/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 07.10.2008 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Oranienburg (Az.: 33 F 87/07) aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Oranienburg zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob das Amtsgericht - Familiengericht - die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt zu Recht vom Scheidungsverbund abgetrennt hat.

Die Parteien haben am 29.09.1990 die Ehe miteinander geschlossen, aus der zwei am ...11.1991 und ...03.1996 geborene Kinder hervorgegangen sind. Spätestens seit Januar 2006 leben sie getrennt. Der Antragsteller zog aus der Ehewohnung aus. Die Kinder blieben bei der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller hat eine neue Lebensgefährtin. Aus dieser Beziehung sind zwei weitere am ...11.2007 und am ...01.2009 geborene Kinder hervorgegangen.

Mit Schriftsatz vom 10.04.2007 hat der Antragsteller die Scheidung der Ehe beantragt. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 04.07.2007 zugestellt.

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Antragsgegnerin am 21.05.2007 ebenfalls die Scheidung der Ehe verlangt. Zudem hat sie Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge für beide Kinder gestellt sowie den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung begehrt.

Auf Antrag des Ehemannes hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 08.02.2008 die Folgesache elterliche Sorge gemäß § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgetrennt. Durch Beschluss vom 22.04.2008 wies das Amtsgericht den Antrag der Antragsgegnerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder zurück. Das abgetrennte Sorgerechtsverfahren (Az.: 33 F 32/08) ist in der Hauptsache noch nicht abgeschlossen.

Nachdem die letzte Auskunft in der Folgesache Versorgungsausgleich eingegangen war, setzte das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07.10.2008 fest, der später - auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers - auf den 09.09.2008 vorverlegt wurde.

Mit Schriftsatz vom 08.09.2008 hat die Antragsgegnerin eine Stufenklage in der Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig gemacht.

Zur Ehescheidung hat die Antragsgegnerin in der Sitzung vom 09.09.2008 keinen Antrag gestellt. In der Folgesache Ehegattenunterhalt hat sie den im Schriftsatz vom 08.09.2008 angekündigten Auskunftsantrag gestellt. Der Antragsteller hat hierzu nicht verhandelt und die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt beantragt.

Mit Beschluss vom 07.10.2008 hat das Amtsgericht die Folgesache nachehelicher Unterhalt gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt und sodann durch Urteil vom selben Tage die Ehe der Parteien geschieden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach § 2 VAÜG ausgesetzt. Zur Begründung der Abtrennung hat es angeführt, dass das vorliegende Scheidungsverfahren bereits seit April 2007 anhängig sei. Die Antragsgegnerin habe das Verfahren schon verzögert, indem sie in der Folgesache Versorgungsausgleich ihren Mitwirkungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei. Ihre bisherige Prozessführung lasse ein zügiges weiteres Verfahren nicht erwarten. Ein Aufschub des Scheidungsausspruchs sei für den Antragsteller angesichts seiner persönlichen Verhältnisse nicht zumutbar. Eine besondere Bedeutung der Folgesache nachehelicher Unterhalt könne seitens der Antraggegnerin nicht festgestellt werden.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, mit der sie die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht erreichen will, um den Scheidungsverbund wiederherzustellen.

Sie macht geltend, die ge...

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