Verfahrensgang
LG Cottbus (Aktenzeichen 3 O 232/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18.05.2022 - 3 O 232/12 abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Kläger weitere 110.016,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2022 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringen.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 120.898,35 EUR.
Gründe
I. Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Erben nach F...L... (Erblasser). Der Erblasser war Eigentümer der ursprünglichen Flurstücke 179, 180 und 181 im Grundbuch von ("ORT 01"), Band ..., Blatt ..., Nr. ..., aus denen u. a. die streitgegenständlichen Grundstücke in der Gemarkung ("ORT 01"), Flur ..., Flurstücke 151/7, 151/8, 151/9, 151/10, 151/11, 392, 393, 151/13, 151/14 und 151/15 hervorgegangen sind. Er gehörte als Jude i.S.d. NS-Rassengesetze zum Kreis der Verfolgten i.S.d. § 1 Abs. 6 S. 1 VermG, wonach das VermG auf Bürger und Vereinigungen entsprechend anwendbar ist, die in der Zeit vom 30.01.1933 bis zum 08.05.1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben.
Der Vater des Beklagten erwarb die im Grundbuch ("ORT 01"), Band ..., Blatt ..., eingetragenen Grundstücke Nr. 179, Nr. 180 und Nr. 181 durch notariellen Kaufvertrag vom 30.12.1938 und wurde am 02.03.1940 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Aus den Parzellen 179, 180 und 81 entstand das Flurstück 151, das in der Folgezeit zunächst in die Flurstücke 151/1 und 151/2 und später in insgesamt 18 Flurstücke zerlegt wurde. Der Beklagte und dessen Schwester (C... W...) wurden am 15.03.1994 aufgrund Erbscheins vom 02.02.1988 als Eigentümer der Flurstücke 151/1 und 151/2 in das Grundstück eingetragen. C... W... hat in der Folgezeit ihren Erbanteil auf den Beklagten übertragen.
Dem Beklagten wurde unter dem 26.03.1996 vom Landkreis ... ein Investitionsvorrangbescheid für das Grundstück Flur ..., Flurstück 151/1, 151/2, Gemarkung ("ORT 01") zur Schaffung von zehn Eigenheimen erteilt (Anlage B 1, Bl. 76 f.). Der Beklagte hat in der Folgezeit die Grundstücke in der Gemarkung ("ORT 01"), Flur ..., Flurstück 151/7, 151/8, 151/9, 151/10, 151/11, 392, 393, 151/13, 151/14 und 151/15 verkauft (wegen der Lage der Flurstücke siehe den Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Bl. 228).
Die Kläger haben gegen den Beklagten einen durch Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 03.04.2008 (Anlage K 1, Bl. 5 f.) in der Fassung des Urteils des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 30.03.2012 - 1 K 392/08 - (Anlage K 2, Bl. 18 f.) festgestellten Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung der Grundstücke in der Gemarkung ("ORT 01"), Flur ..., Flurstücke 151/7, 151/8, 151/9, 151/10, 151/11, 392, 393, 151/13, 151/14 und 151/15 oder - wenn ein Erlös nicht erzielt worden ist oder den Verkehrswert unterschreitet, den die Grundstücke in dem Zeitpunkt hatten, in dem der Investitionsvorangbescheid vollzogen wurde - auf Zahlung des Verkehrswertes.
Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger Stufenklage erhoben und in der ersten Stufe zunächst Auskunft unter Vorlage von Ablichtungen der den Veräußerungen der streitgegenständlichen Grundstücke zugrunde liegenden Übertragungsverträge verlangt. Das Landgericht hat die Klage in der ersten Stufe durch Teil-Urteil vom 16.01.2015 - 3 O 232/12 - abgewiesen (Bl. 274 f.). Der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat auf die Berufung der Kläger das vorgenannte Teilurteil abgeändert und den Beklagten gemäß Anerkenntnisurteil vom 28.06.2017 zur beantragten Auskunft verurteilt (Bl. 377 f.).
Nach erteilter Auskunft (siehe die Kaufverträge Anlage K 9 - K 13 Bl. 358 - 396) haben die Kläger erstinstanzlich in der zweiten Stufe beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 189.009,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (06.11.2012) zu zahlen, wobei sie in erster Linie den Erlösauskehr und nur hilfsweise den Verkehrswert beanspruchen (Bl. 356 f.). Diesen berechnen sie anhand des im Kaufvertrag Anlage K 9 (Bl. 358 f.) vereinbarten Kaufpreises für den Verkauf der unerschlossenen Flurflächen 151/7, 151/8, 151/9, 151/11 und 151/15 (0,40 DM/qm × 5.592 qm = 223.680 DM bzw. 114.365,77 EUR). Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Kläger, der Verkehrswert der Grundstücke, die mit den notariellen Verträgen - wie aus der Anlage K 10 bis K 13 ersichtlich - veräußert wurden, habe im Juni 1996 ...