Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheidung trotz trennungsbedingter schwerer Depression
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendung der Härteklausel des § 1568 BGB.
2. Zur Versagung der Ehescheidung nach § 1568 BGB können nur solche Härten führen, die durch den Scheidungsausspruch selbst verursacht oder wesentlich mit verursacht werden; eine allein durch das Scheitern der Ehe verursachte Härte genügt nicht.
Normenkette
BGB § 1568
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Urteil vom 25.03.2008; Aktenzeichen 31 F 125/07) |
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 25.3.2008 verkündete Urteil des AG Oranienburg - Az. 31 F 125/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsgegner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.623 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die am ... September 1942 geborene Antragstellerin und der am ... Januar 1937 geborene Antragsgegner, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 27.10.1989 vor dem Standesamt B. die Ehe geschlossen, nachdem eine erste zwischen beiden Parteien am 1.10.1960 geschlossene Ehe im Jahre 1966 geschieden worden war. Die Parteien haben drei gemeinsame Kinder, die bereits volljährig sind.
Die Antragstellerin ist im April 2006 aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung ausgezogen. Nach einem im Zuge eines längeren stationären Krankenhausaufenthalts des Antragsgegners unternommenem Versöhnungsversuch mit u.a. einem gemeinsamen Weihnachtsurlaub 2006 und auch der zeitweiligen Rückkehr der Antragstellerin auf das eheliche Grundstück ist die Antragstellerin Anfang Mai 2007 erneut ausgezogen und sucht seither ihren Wohnort vor dem Antragsgegner zu verbergen.
Mit ihrem am 1.10.2007 zugestellten Antrag hat die Antragstellerin die Ehescheidung begehrt. Der Antragsgegner ist dem Scheidungsantrag entgegengetreten. Er will an der Ehe festhalten und sieht sich nicht in der Lage, die für ihn abrupte Trennung nach 47 Jahren, die auch eine Abwendung seiner Kinder von ihm zur Folge gehabt habe, körperlich und seelisch zu verkraften.
Das AG hat durch Urteil vom 25.3.2008 die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Gegen dieses ihm am 7.4.2008 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner mit einem am 6.5.2008 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 9.6.2008, eingegangenen Schriftsatz begründet. Er tritt dem Scheidungsantrag weiterhin entgegen mit der Begründung, schon die Feststellung des Scheiterns der Ehe sei nicht gerechtfertigt. Jedenfalls aber stelle die Ehescheidung für ihn eine außergewöhnliche Härte dar und habe deshalb zu unterbleiben.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Beide Parteien sind vom Berufungsgericht gem. § 613 ZPO angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom heutigen Tage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das AG hat die Ehe der Parteien zu Recht geschieden.
1. Die Ehe der Parteien ist gescheitert (§ 1565 Abs. 1 BGB).
Die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien besteht seit April 2006 nicht mehr; die Trennung liegt also mehr als ein, aber noch nicht drei Jahre zurück. Der Versöhnungsversuch Ende 2006/Anfang 2007 bleibt gem. § 1567 Abs. 2 BGB ohne Einfluss auf die die Vermutung für ein Scheitern der Ehe in sich tragenden Trennungsfristen des § 1566 BGB.
Die in § 1566 BGB normierten Voraussetzungen für eine unwiderlegbare Vermutung für ein Scheitern der Ehe, entweder Zustimmung des Antragsgegners zur Scheidung nach einjähriger Trennung bzw. Ablauf einer Trennungszeit von drei Jahren, liegen im Streitfall zwar nicht vor. Gleichwohl ist der Senat auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der heute durchgeführten Anhörung davon überzeugt, dass die Ehe der Parteien zerrüttet ist und nicht mehr erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners reicht der unbedingte Wille eines der beiden Ehepartner, an der Ehe festzuhalten nicht aus, um der Feststellung einer Zerrüttung der Ehe den Boden zu entziehen. Tatsächlich genügt es, wenn aus dem Verhalten und den glaubhaften Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen. Eine Ehe gilt daher auch dann als zerrüttet, wenn nur ein Ehegatte sich - gleich aus welchen Gründen - endgültig abgewendet hat und die Ehe nur einseitig als zerrüttet angesehen wird, weil dann eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1565 Rz. 3 m.w.N.).
Im hier vorliegenden Fall...