Leitsatz (amtlich)

Die Pflicht zur Gewässerunterhaltung ist öffentlich-rechtlicher Natur. Drittbetroffene haben grundsätzlich keinen Rechtsanspruch gegen den Träger der Unterhaltungslast auf Erfüllung der Unterhaltungspflicht oder auf Vornahme bestimmter Unterhaltungsarbeiten. Wird ein Betroffener durch eine Verletzung der Unterhaltungspflicht in seinem Eigentum geschädigt, so kann ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, nicht aber aus Amtspflichtverletzung gegeben sein.

Aufgabe der Unterhaltungspflicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG a.F. ist es, den ordnungsgemäßen Zustand für den Wasserabfluss zu erhalten. Erforderlich ist, dass der Fluss in einem Zustand erhalten wird, der gewährleistet, dass das in ihm gewöhnlich befindliche Wasser ungehindert, störungsfrei und gefahrlos abfließen kann. Die Unterhaltungspflicht ist damit auf das für den Wasserabfluss Notwendige begrenzt. Solange bei normalen Verhältnissen das Wasser abgeführt wird, sind Unterhaltungsarbeiten wie die Reinigung und Räumung des Gewässerbetts nicht notwendig.

Vermischt sich Niederschlagswasser mit in Gräben gefangenem Grundwasser, erstreckt sich die Abwasserbeseitigungspflicht nach § 64 Abs. 1 Satz 1 BbgWG für das Niederschlagswasser nicht ohne weiteres auf das gesamte infolge des Vermischens mit dem Grundwasser in den Gräben geführte Wasser.

Im Rahmen der Gesamtkausalität genügt nicht die Eignung zur Schadensverursachung schlechthin, sondern erforderlich ist - gerade in Fällen des Anteilszweifels - die Fähigkeit des einzelnen Ursachenbeitrags, den Gesamtschaden allein zu verursachen. Die Vorschrift enthebt das Gericht nicht der Prüfung, ob einer der Beteiligten nach allgemeinen Grundsätzen für den gesamten Schaden haftet. Nur wenn dies nicht festgestellt werden kann, besteht die für § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB charakteristische Beweisnot, die die Haftungsausweitung rechtfertigt.

 

Normenkette

GG Art. 34; BGB § § 823 Abs. 1, § 830 Abs. 1, § 839 Abs. 1 S. 1; WHG § 28 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1996-12-12; BbgWasserG § 64 Abs. 1 S. 1, §§ 66, 78-79

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 20.10.2010; Aktenzeichen 4 O 2/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Potsdam vom 20.10.2010 - 4 O 2/10 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger und Berufungskläger begehrt von den Beklagten den Ersatz von Schäden, die ihm dadurch entstanden sind, dass Grundwasser in den Keller seines Wohnhauses gedrückt wurde. Überdies dringt er auf die Feststellung, dass die Beklagten zur Erstattung von Umsatzsteuer für anfallende Schadensbeseitigungskosten verpflichtet sind.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks H. 6 in F., das seit dem Jahr 1986 mit einem Wohnhaus bebaut ist. Zur Ableitung von Niederschlagswasser ist die Siedlung W. von zahlreichen offenen Gräben durchzogen. Zu nennen ist insbesondere der Graben 536, der hinter dem Haus des Klägers verläuft und in den Graben 535 (sog. "Großer W.") mündet. Über den Großen W. wird das Wasser von der Siedlung weg in Richtung Süden zu der dort verlaufenden Bahnstrecke Berlin - Hamburg geleitet. Das Wasser unterquert das Gleisbett in einem geschlossenen Betonkanal, bevor es zu dem südlich der Bahnstrecke verlaufenden sog. "S." gelangt, der schließlich am Schöpfwerk in die Havel entwässert. Die Besiedlung der Kolonie W. ging auf einen Beschluss des Kreisausschusses des Landkreises O. vom 16.6.1904 zurück. Darin genehmigte der Kreissausschuss die Besiedlung der sog. großen faulen L ... mit der Auflage, Entwässerungsanlagen herzustellen.

Die Unterquerung der Bahnstrecke aus den 20er Jahren wurde im Zuge des Ausbaus der ICE-Strecke im Jahr 1996 derart umgebaut, dass eine Betonrohrleitung von 50 cm Durchmesser eingesetzt und die Sohle des Durchlassrohres um 22 cm angehoben wurde. Im Frühjahr 2008 kam es nach Jahren vergleichbarer Trockenheit zu starken Regenfällen.

Der Kläger behauptet, der Wassereinbruch sei darauf zurückzuführen, dass die Entwässerungsgräben vollgelaufen seien und damit das Grundwasser flächenhaft angestiegen sei. Entgegen der Bestimmungen hätten die Gräben bei dem Starkregen 2008 nicht genügend steigendes Grundwasser und Niederschlagswasser aufnehmen und abführen können. Dadurch sei der Grundwasserspiegel insgesamt angestiegen. Drückendes Grundwasser sei in den klägerischen Keller eingedrungen. Dies geht nach Ansicht des Klägers auf mehrere Pflichtverletzungen der Beklagten zurück.

So sei die Beklagte zu 1. für die Unterhaltung der Entwässerungsgräben verantwortlich gewesen, habe diese aber nicht ordnungsgemäß gewartet und funktionsfähig gehalten, sie insbesondere nicht ausgebaggert, vertieft und das erforderliche Mindestgefälle eingehalten. Sie habe damit ihre Pflicht zur Abwasserbeseitigung aus § 66 BbgWG, die nach § 18 WHG auch die Pflicht zum Sammeln, Fortleiten und ggf. Versickern von Abwasser einschließe, verletzt.

Der Beklagte zu 2. ist nach Ansicht des Klägers ...

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