Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt: Anspruch eines Leistungsträgers aus übergegangenem Recht
Leitsatz (redaktionell)
1. Nur dann, wenn ein über den Mindestbedarf hinausgehender Unterhaltsbedarf nach § 1615l BGB geltend gemacht wird, ist von Bedeutung, welches Einkommen die Mutter vor der Geburt des Kindes erzielt hat.
2. Auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch infolge Anspruchsübergangs vom Leistungsträger geltend gemacht wird, kommt es auf den Bedarf nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen an.
3. Mutterschaftsgeld hat Lohnersatzfunktion und ist deshalb ebenso wie ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Muttergeld als Einkommen zu berücksichtigen. Elterngeld ist nur anzurechnen, soweit es einen Betrag von 300,00 EUR überschreitet.
4. Zur Ermittlung des unterhaltsrechtlich bedeutsamen Einkommens von Gewerbetreibenden bzw. Freiberuflern ist ein möglichst zeitnaher Mehrjahresdurchschnitt zu bilden, wobei in der Regel auf einen Zeitraum von drei Jahren abzustellen ist.
5. Dem ausgewiesenen Gewinn sind jedenfalls diejenigen Betriebsausgaben hinzuzusetzen, die gemeinhin ohne weitere Erläuterung und Vorlage weiterer Belege als allein steuerrechtlich bedeutsam anzusehen sind.
Normenkette
SGB 2 § 33; BGB §§ 1609, 1613 Abs. 2 Nr. 2a, § 1615l
Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 19.01.2010) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.1.2010 verkündete Urteil des AG Frankfurt/O. teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Frau I. G., geboren am ... September 1976, folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen:
- 92 EUR für die Monate März bis Dezember 2008.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 920 EUR seit dem 9.12.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage bezüglich des Unterhalts für Frau I. G. abgewiesen. Hinsichtlich des Unterhalts für das Kind D. G. bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden der Klägerin zu 72 % und dem Beklagten zu 28 % auferlegt. Die Berufungskosten haben die Klägerin zu 81 % und der Beklagte zu 19 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Unterhalt für die Zeit von Januar 2008 bis April 2009 in Anspruch.
Der Beklagte ist der Vater des am ... 1.2008 geborenen Kindes D. G. Mit der Mutter des Kindes, Frau I. G., war der Beklagte nicht verheiratet. Die Ehe des Beklagten mit Frau S. A... wurde durch Urteil des AG Strausberg vom 18.12.2007 (2 F 10/07) rechtskräftig geschieden. Aus dieser Ehe ist das Kind S. A..., geboren am ... 5.2001, hervorgegangen.
Der Kläger erbrachte Frau I. G. und deren Tochter D. als Bedarfsgemeinschaft im Januar 2008 sowie in der Zeit von März 2008 bis April 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 26.3.2008 zeigte der Kläger dem Beklagten die Gewährung der Leistungen an und verwies auf den Anspruchsübergang nach § 33 SGB II. Mit Schreiben vom 8.12.2008 forderte der Kläger den Beklagten wegen übergegangener Unterhaltsansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2008 zur Zahlung von insgesamt 4.929,06 EUR auf. Der seit Mitte 2006 als Dachdecker selbständig tätige Beklagte wies durch Anwaltsschreiben vom 23.1.2009 auf fehlende Leistungsfähigkeit hin.
Mit der am 6.3.2009 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt, den Beklagten zur Zahlung übergegangenen Kindesunterhalts für die Zeit vom 16. bis zum 31.1.2008 sowie vom 1.3.2008 bis zum 31.3.2009 i.H.v. insgesamt 1.846,33 EUR sowie übergegangenen Betreuungsunterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB für denselben Zeitraum i.H.v. 4.658,05 EUR sowie beginnend ab April 2009 monatlichen Kindesunterhalt von 244 EUR monatlich und Betreuungsunterhalt von 770 EUR zu verurteilen. Im weiteren Verfahren hat sich der Kläger darauf beschränkt, für die Zeit vom 1./16.1.2008 bis 31.1.2008 sowie von März 2008 bis April 2009 übergegangenen Kindesunterhalt von insgesamt 1.686,33 EUR sowie übergegangenen Betreuungsunterhalt von insgesamt 4.955,01 EUR zu verlangen.
Durch das angefochtene Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil hat das AG den Beklagten verurteilt, an den Kläger für das unterhaltsberechtigte Kind D. G., geb. am ... 1.2008, Unterhalt für die Zeit vom ... 1.2008 bis zum 30.4.2009 in unterschiedlicher Höhe nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage, gerichtet auf Unterhaltszahlungen für Frau I. G., hat das AG abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt vor:
Das AG habe verkannt, das die Mutter während der ersten drei Lebensjahre des Kindes unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihr stehe jedenfalls ein Mindestbedarf von 770 EUR zu.
Der Beklagte sei unter Berücksichtigung seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit...