Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners; Verpflichtung zum Umzug wegen der Entfernung zur Arbeitsstätte
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder beläuft sich jedenfalls auf den Mindestbedarf.
2. Ist ein Unterhaltsschuldner von seinem früheren Arbeitgeber wiederholt zum Sommer entlassen und zum Winter wieder eingestellt worden, ist es nachvollziehbar und unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar, dass er dieses Beschäftigungsverhältnis nicht auf Dauer aufrechterhalten will und nach einer Kündigung nicht auf eine Wiedereinstellung wartet.
3. Ist eine Umschulung zum Mitarbeiter im Sicherheitsgewerbe unterhaltsrechtlich hinzunehmen, sind der Unterhaltsberechnung die im Sicherheitsgewerbe erzielten Erwerbseinkünfte zugrunde zu legen.
4. Bei Erzielung eines eher niedrigen Erwerbseinkommens ist der Unterhaltsschuldner – gerade bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit – verpflichtet, die berufsbedingten Aufwendungen möglichst gering zu halten. Bei sehr hohen Fahrtkosten kann er mit Ablauf der Probezeit verpflichtet sein, näher an die Arbeitsstätte heranzuziehen.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2, § 1613 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 25.11.2009) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.11.2009 verkündete Urteil des AG Frankfurt/O. teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin monatlichen Unterhalt, wie folgt, zu zahlen, den zukünftigen jeweils im Voraus bis zum Dritten eines jeden Monats:
- 8 EUR (= 168 EUR - 160 EUR) für die Monate Juli bis Dezember 2009,
- 45 EUR (= 205 EUR - 160 EUR) für die Monate Januar bis September 2010,
- 205 EUR ab Oktober 2010.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden der Klägerin zu 34 % und dem Beklagten zu 66 % auferlegt. Die Berufungskosten haben die Klägerin zu 80 % und der Beklagte zu 20 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht Kindesunterhalt ab November 2008 geltend.
Die am ... 1.1997 geborene Klägerin ist die Tochter des am ... 7.1972 geborenen Beklagten. Die Ehe der Mutter der Klägerin mit dem Beklagten wurde durch Urteil des AG vom 20.9.2006 - sogleich rechtskräftig - geschieden.
Der Beklagte ist gelernter Tischler, hat aber seit zehn Jahren nicht in seinem erlernten Beruf gearbeitet, sondern war zuletzt über mehrere Jahre nur noch als Montagearbeiter in einem Möbelhandel tätig.
Mit Anwaltsschreiben vom 20.11.2008 forderte die Klägerin den Beklagten zur Auskunfterteilung im Hinblick auf einen Anspruch auf Kindesunterhalt auf. Der Beklagte lehnte Unterhaltszahlungen unter Hinweis auf fehlende Leistungsfähigkeit ab.
Mit der am 23.1.2009 beim AG eingegangenen Klage macht die Klägerin den Mindestunterhalt geltend.
Durch das angefochtene Urteil hat das AG den Beklagten verurteilt, monatlichen Kindesunterhalt von 160 EUR ab Februar 2009 sowie rückständigen Kindesunterhalt i.H.v. 390 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.6.2009 zu zahlen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie trägt vor:
Die Berechnung des fiktiven Einkommens durch das AG sei nicht nachvollziehbar. Es erschließe sich nicht, warum das AG einen Bruttostundenlohn von 9 EUR und nicht von 10 EUR zugrunde gelegt habe. Ein Abzug pauschaler berufsbedingter Aufwendungen sei im Mangelfall nicht vorzunehmen. Auch sei der Beklagte verpflichtet, eine Nebentätigkeit aufzunehmen, um den Mindestunterhalt zu sichern. Ein Einkommen, das ohne weiteres ausreiche, um den Mindestunterhalt zu leisten, habe der Beklagte auch schon in der Vergangenheit, so im Februar und Mai 2008, erzielt.
Die Parteien haben den Rechtsstreit i.H.v. 160 EUR monatlich für die Zeit von November 2008 bis September 2010 in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin monatlichen Unterhalt von 295 EUR für die Zeit von Februar bis Dezember 2009 und von 334 EUR ab Januar 2010 sowie einen weiteren rückständigen Kindesunterhalt i.H.v. 255 EUR nebst Zinsen zu zahlen, jedoch nach Maßgabe der Erledigungserklärung.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens scheide aus. Rechne man ihm ein solches Einkommen dennoch zu, so habe das AG zu Recht 5 % für berufsbedingte Aufwendungen abgesetzt, da ein solcher Abzug auch dann vorzunehmen gewesen wäre, wenn er tatsächlich gearbeitet hätte.
Auch bei Ansatz eines Stundenlohnes von 10 EUR brutto sei er nicht leistungsfähig. Bei höchstens 168 Arbeitsstunden pro Monat ergäbe sich auf dieser Grundlage nämlich auch nur ein Nettoeinkommen von rund 1.172 EUR.
Eine Nebentätigkeit komme nicht in ...