Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 04.05.2021, Az. 12 O 93/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadenersatz wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 01.09.2016 den streitgegenständlichen gebrauchten BMW X5 mit einer Laufleistung von 89.000 km zu einem Kaufpreis von 28.790 EUR brutto. Die Erstzulassung datiert vom ....11.2011. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs N57 (Applikation N57D3000) mit der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut. Zur Reduktion der Stickstoffemissionen verfügt der Motor über eine Abgasrückführung. Eine Abgasnachbehandlung durch einen SCR- oder einen NOx-Speicherkatalysator findet nicht statt. Das Fahrzeug des Klägers ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen.

Mit Schreiben vom 05.03.2020 machte der Kläger Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend und verlangte die Zahlung von 28.790 EUR zuzüglich Deliktszinsen von 4% seit dem 01.09.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Der Kläger hat behauptet, dass in Fahrversuchen der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) im realen Straßenverkehr (u.a.) bei Motortypen der Beklagten im Mittel höhere NOx-Werte gemessen worden seien, als in dem für die Schadstoffklasse maßgeblichen Standardmessverfahren. Diese Motortypen seien nach Auffassung des Klägers mit dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vergleichbar. Daraus schließt der Kläger auf das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung, durch die die Abgasrückführung (ganz oder teilweise) gezielt inaktiviert werde. So existiere ein Thermofenster, wodurch die Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30 Grad Celsius richtig funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasrückführung dagegen iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Nur unter den Bedingungen auf dem Prüfstand funktioniere die Abgasreinigung optimal. Unter anderen (realen) Bedingungen werde das Abgasrückführungsventil dagegen komplett geschlossen. Dementsprechend sei die elektronische Fehlerdiagnose des Fahrzeugs (OBD) so verändert worden, dass die (gezielte) Abschaltung der Abgasrückführung nicht als Fehler ausgegeben werde.

Diese Abschalteinrichtungen verstießen gegen die relevante Abgasnorm (VO 715/2007 EG), insbesondere sei der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der VO nicht einschlägig. Der Vorstand der Beklagten habe diesen Verstoß bewusst aus Kostengründen in Kauf genommen, weil die Abgasgrenzwerte andernfalls nur mit höherem technischen und wirtschaftlichen Aufwand einzuhalten gewesen wären. Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen den zuständigen Behörden im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens bewusst verschwiegen.

Der Kläger sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihm Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte er vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen.

Der Kläger hat als Schadenersatz den Kaufpreis sowie Deliktszinsen verlangt. Erstinstanzlich hat er beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.834,80 EUR nebst Zinsen aus 28.790 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW X5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges seit dem 05.03.2020 in Verzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.564,26 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bestritten und die entsprechenden Behauptungen des Klägers als ins Blaue hinein qualifiziert. Auf die Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb (die im Übrigen auch nur unwesentlich sei) komme es schon nicht an. Ein "illegales Thermofenster" existiere nicht. Vielmehr hänge der Grad der Abgasrückführung aufgrund physikalischer Notwendigkeiten von einer Vielzahl von Parametern ab, nicht jedoch von der Außentemperatur. Im Übrigen sei eine Anpassung der Abgasrückführungsrate aus Gründen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge