Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbengemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
Zur Beschlussfähigkeit in einer Erbengemeinschaft unter Berücksichtigung der Mitwirkungsrechte einer Minderheit.
Normenkette
BGB §§ 745, 2038
Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 22.10.1996; Aktenzeichen 3 O 50/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Oktober 1996 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 3 O 50/96 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Das Landgericht hat die Prozeßführungsbefugnis der Kläger zutreffend aus § 2039 Abs. 1 BGB hergeleitet. Die Frage, ob bei gemeinsamer Prozeßführung mehrerer Miterben eine notwendige Streitgenossenschaft besteht, ist für die Prozeßführungsbefugnis ohne Bedeutung; sie wird nur dann relevant, wenn es darum geht, inwieweit die Prozeßhandlungen der klagenden Miterben sowie die Entscheidung des Prozesses Wirkungen auch für die übrigen Miterben entfalten.
Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu.
Die Erben sind unstreitig – in ungeteilter Erbengemeinschaft – Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks. Daß beide Beklagte passivlegitimiert sind, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung, auf die insoweit verwiesen wird, zutreffend ausgeführt.
Der geltend gemachte Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Aus dem von den Beklagten nunmehr in zweiter Instanz vorgelegten Pachtvertrag vom 1. Februar 1997 kann ein Recht zum Besitz und zur Nutzung des Grundstücks nicht hergeleitet werden. Dieser Pachtvertrag ist bereits deshalb nicht wirksam zustande gekommen, weil die Mehrheitserbin, Frau I. S., zum Abschluß des Vertrages gemäß der §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 BGB nicht berechtigt war.
Gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zu. § 745 Abs. 1 BGB begründet für die Verwaltung das Mehrheitsprinzip, wobei die Mehrheitsbeschlüsse auf die Regelung der „ordnungsmäßigen” Verwaltung und Benutzung beschränkt sind, allerdings eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes von der Mehrheit nicht beschlossen werden kann (§ 745 Abs. 3 BGB). Die Mehrheit, die sich nach der Größe der Erbanteile bestimmt, kann den Beschluß formlos fassen; die §§ 741 ff BGB enthalten keine Vorschriften, die die Art. der Beschlußfassung näher regeln. Dies hat nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, zur Folge, daß die Wirksamkeit des Beschlusses nicht davon abhängt, ob der Minderheit ausreichend Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist (vgl. BGHZ 56, 47 ff, 55, 56; Staudinger/Langhein, BGB, 13. Auflage, § 745 Rz. 17, 19 m.w.N.).
Hiernach hätte Frau S. im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung einen Mehrheitsbeschluß ohne Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten fassen können, wobei nach herrschender Meinung die Mehrheit der Erben die Minderheit bei Verpflichtungsgeschäften auch im Außenverhältnis wirksam vertreten kann (vgl. BGHZ 56, 47 ff, 50, 51 Staudinger/Werner, BGB, 13. Auflage, § 2038 Rz. 40). Ob dem im Hinblick auf die Notwendigkeit einer zügigen Verwaltung des Nachlasses zu folgen ist, oder ob nicht zum Schutz der Minderheit diese zunächst auf Mitwirkung zu verklagen ist (vgl. BGHZ 49, 183 ff, 192), kann vorliegend dahinstehen. Denn auch für den Fall der Bejahung der Vertretungsmacht der Mehrheit der Erben scheitert vorliegend die Wirksamkeit des von der Mehrheitserbin abgeschlossenen Pachtvertrages daran, daß die Verpachtung kein Geschäft der ordnungsmäßigen Verwaltung darstellt.
Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob mit der Verpachtung des Grundstücks als Campingplatz zugleich eine wesentliche Veränderung des Grundstücks beschlossen worden ist.
Diese Annahme liegt nach dem Vorbringen der Kläger und der von ihnen vorgelegten Lichtbilder in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nahe, wonach über das früher als Ackerland genutzte Grundstück nunmehr eine asphaltierte Straße führt und das Grundstück unter anderem mit einer gepflasterten Wasserstelle und einer Trafostation versehen worden ist. Die Frage der wesentlichen Veränderung ist jedoch nicht entscheidungsrelevant, so daß keine Notwendigkeit besteht, den Beklagten einen Schriftsatznachlaß zu dem – teilweise – neuen Klagevortrag einzuräumen. Denn eine verständige, wirtschaftlich denkende Person in der gleichen Situation wie die Mehrheitserbin hätte von dem Abschluß des Pachtvertrages jedenfalls deshalb Abstand genommen, weil im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits die Teilungsversteigerung des Grundstücks (§ 180 ZVG) beantragt war. Die Verpachtung eines Grundstücks ist durchaus geeignet, Interessenten, die eine eigene Nutzung beabsichtigen, von der Ersteigerung abzuhalten. Der Ersteher in der Teilungsversteigerung tritt gemäß § 57 ZVG in bestehende Pachtver...