Leitsatz (amtlich)
Ein Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten wegen Überschreitung eines bestimmten Kostenrahmens (bzw. einer Kostengrenze) setzt voraus, dass die Parteien des Architektenvertrages den Kostenrahmen als vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Architektenwerks vereinbart haben. Das Werk des Architekten oder Ingenieurs ist mangelhaft, wenn seine Planung den vertraglichen Kostenrahmen überschreitet.
Eine ausdrückliche Vereinbarung für die Kosten der Baumaßnahme nach den Kostengruppen 300 und 400 der DIN 276 in einer bestimmten Höhe und die Bezeichnung als Höchstpreis stellen sich als Beschaffenheitsvereinbarung - sog. unselbständige Garantie - dar. Denn ein beziffertes Kostenlimit, nach dessen Inhalt der Architekt für die Auskömmlichkeit eines bestimmten Baubudgets einzustehen hat, beinhaltet im Regelfall eine Vereinbarung der Beschaffenheit des Architektenwerks i.S.v. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Eine nachträgliche Änderung der Leistungsbeschreibung hat ein Entfallen der vereinbarten Kostengrenze nur bei einer durch diese veranlassten deutlichen Kostensteigerung hinsichtlich der von dem Kostenrahmen erfassten Baukosten zur Folge.
Für die das Bauvorhaben begleitenden Kostenermittlungen kann ein Architekt zwar Toleranzen in Anspruch nehmen. Diese reichen jedoch nur soweit, als die in den Ermittlungen enthaltenen Prognosen von unvermeidbaren Unsicherheiten und Unwägbarkeiten abhängen. Ein Toleranzrahmen kommt nur dann in Betracht, wenn sich im Vertrag Anhaltspunkte dafür finden, dass die vereinbarte Bausumme keine strikte Grenze sein soll. Handelt es sich bei dem Betrag für die Baumaßnahme um eine feste Grenze in Form einer vertraglich geschuldeten Beschaffenheit des Architektenwerks, ist für einen Toleranzrahmen kein Raum (vgl. BGH BauR 1997, 494).
Ein Schadensersatzanspruch des Bauherrn auf Ersatz für den Honoraranspruch des Architekten für die Grundlagenermittlung und die Vorplanung (Leistungsphasen 1 und 2 nach § 15 HOAI) besteht nur, wenn der Bauherr hinreichend darlegt, dass für ihn diese Vorplanungen gänzlich unbrauchbar waren. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Planung noch nicht auf ein bestimmtes Gebäude fokussiert hatte. Auch wenn sich der Bauherr im Nachgang für ein gänzlich anderes Gebäude entschieden hat, setzt ein Schadensersatzanspruch voraus, dass die grundlegenden Analysen der Leistungsphasen 1 und 2 von ihm für die Planung des nunmehr errichteten Gebäudes keine Verwendung finden konnten.
Normenkette
BGB § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 2 S. 1, §§ 280-281
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen 3 O 127/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Potsdam vom 10.6.2010 - 3 O 127/09 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des LG Potsdam vom 10.6.2010 - 3 O 127/09 - unter Zurückweisung der Anschlussberufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 283,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.4.2009 zu zahlen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Anschlussberufung tragen der Kläger zu 17 % und die Beklagte zu 83 %. Die Kosten der Streithilfe im Berufungsverfahren einschließlich der Anschlussberufung werden dem Kläger zu 17 % und dem Streithelfer zu 83 % auferlegt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweils vollstreckenden Partei wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgegners durch Sicherheitsleistungen i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 22.206,66 EUR
(Berufung der Beklagten: 18.168,51 EUR
Anschlussberufung des Klägers: 4.038,15 EUR).
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht auf Grund erklärter Kündigung eines zwischen ihm sowie seiner Ehefrau und der I. GbR, diese vertreten durch ihre Gesellschafter U. und G. (nachfolgend bezeichnet als Beklagte) geschlossenen Architektenvertrages infolge der klägerseits geltend gemachten Überschreitung einer Baukostenobergrenze.
Unter dem 10.7./18.7.2008 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der Beklagten einen Vertrag über die Erbringung von Architektenleistungen für das Bauvorhaben "Errichtung eines nicht unterkellerten Einfamilienhauses als sog. KfW 60-Haus mit Carport". Das Gebäude sollte auf dem Grundstück R.-Straße 17 in Z. errichtet werden. Unter "§ 1 Gegenstand des Vertrages" heißt es u.a.:
"Für die Kosten der Baumaßnahme nach 300 und 400 aus DIN 276 wird folgender wirtschaftlicher Rahmen gesetzt:
170.000 EUR netto bei einer Nettowohnfläche von 157,07 m2
nach dem Planungsstand vom 7.7.2008.
Der oben genannte Kostenrahmen ist als Obergrenze verbindlich.
Werden im Rahmen...