Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung: Leistungen eines Sozialversicherungsträgers auf Grund eines Fahrgastunfalls vor Wirksamwerden des Beitritts der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland; gesetzlicher Anspruchsübergang bei Schuldanerkenntnis der Deutschen Reichsbahn; Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 116 SGB X erfasst mit Wirkung ab dem 1.1.1991 auch Ansprüche aus Unfällen, zu denen es schon zuvor gekommen ist.(Rz. 23)
2. § 116 SGB X findet analoge Anwendung auf die rechtsgeschäftlichen Ansprüche aus einem Anerkenntnis der Leistungsverpflichtung.(Rz. 24)
3. Für die Annahme von Verhandlungen i.S.v. § 203 BGB reicht es aus, wenn eine Partei zugleich mit der Mitteilung, sie sei nach wie vor der Ansicht, die Forderung sei verjährt, ankündigt, bei Übersendung aussagefähiger Belege ihre Rechtsauffassung nochmals zu überdenken.(Rz. 27)
4. Eine im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 116 SGB X im Beitrittsgebiet bereits in Gang gesetzte Verjährungsfrist wird nicht allein durch den Forderungsübergang unterbrochen oder gehemmt.(Rz. 30)
Normenkette
SGB X § 116
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 16.12.2005; Aktenzeichen 11 O 104/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.12.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt/O., Az.: 11 O 104/05, teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche nach § 116 SGB X übergangsfähigen Leistungen zu ersetzen, die diese aufgrund des Unfalls vom 22.9.1988 des am ... 1979 geborenen A. H. erbracht hat oder zukünftig erbringt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. zu tragen.
Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 86 % und die Beklagte zu 2. 14 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 2. auf Erstattung der von ihr nach ihrer Behauptung auf Grund eines Fahrgastunfalles des damals neunjährigen A. H. auf der S-Bahn-Station P. am 22.9.1988 erbrachten Leistungen in Anspruch und begehrt zugleich die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten zu 2. hinsichtlich sämtlicher weiterer nach § 116 SGB X übergangsfähiger Leistungen, die sie auf Grund dieses Unfalls hinaus erbracht hat oder noch erbringt. Die Parteien streiten in erster Linie über die Aktivlegitimation der Klägerin sowie über eine Verjährung der Ansprüche, daneben stellt die Beklagte zu 2. auch die Voraussetzungen ihrer Haftung dem Grunde nach in Abrede und bestreitet Leistungen der Klägerin aufgrund des Unfalls. Schließlich wendet sich die Klägerin gegen die ihr vom LG auferlegte Verpflichtung die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. zu tragen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, der dahingehend zu ergänzen ist, dass die Beklagte zu 2. sich hilfsweise die Bekundungen des Unfallzeugen E. R. zu Eigen gemacht hat, wonach der Geschädigte H. versucht habe auf die schon angefahrene S-Bahn aufzuspringen. Die Beklagte zu 2. hat sich insoweit auf ein anspruchsausschließendes Mitverschulden des Verletzten berufen. Mit Schreiben vom 21.2.2002 meldete die Klägerin erstmals Schadensersatzansprüche bei der Beklagten zu 2. an. Im Folgenden Schriftwechsel berief sich die Beklagte zu 2. auf Verjährung, erklärte sich mit Schreiben vom 5.7.2002 aber bereit, ihre Rechtsauffassung bei Übersendung aussagefähiger Belege betreffend die Kenntnis der Sachbearbeiterin der Klägerin in deren Regressabteilung zu überdenken. Mit Schreiben vom 11.11.2002 hat die Beklagte zu 1. der Klägerin angezeigt, die Angelegenheit nunmehr zu bearbeiten, das vorangegangene Schreiben der Klägerin sei zuständigkeitshalber an sie weitergeleitet worden.
Mit am 16.12.2005 verkündetem Urteil hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein möglicherweise auf die Klägerin übergegangener Anspruch sei jedenfalls verjährt. Gemäß Art. 231 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB sei die Vorschrift des § 852 Abs. 1 BGB a.F. maßgeblich. Die danach geltende dreijährige Verjährungsfrist sei mit Wirksamwerden des Beitritts in Gang gesetzt worden und somit am 3.10.1993 abgelaufen. Entscheidend sei der Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt habe, hingegen komme es nicht darauf an, wann die Klägerin als Sozialversicherungsträger Kenntnis erlangt habe, denn zum Zeitpunkt des Unfalls habe die Sozialversicherung noch nicht bestanden, auch sei ein Fall einer Rechtsnachfolge nicht gegeben. Ein mögli...