Entscheidungsstichwort (Thema)
Tierhalterhaftung: Beweislastverteilung bei einem Unfall eines 17 ½ Jahre alten Reiters bei einem Ausritt
Normenkette
BGB § 833 S 1, § 834
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Urteil vom 14.01.2010) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Neuruppin vom 14.1.2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn C. D. auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners gegen die Streithelferin aus einer Tierhalterhaftpflichtversicherung in Anspruch.
Der Inanspruchnahme liegt ein Schadensereignis in Gestalt eines Reitunfalls vom 7.9.2002 zugrunde:
An diesem Tag hatte die damals 17-jährige Klägerin gemeinsam mit der Tochter des Insolvenzschuldners, der Zeugin H. D., einen mehrstündigen Reitausflug in der Umgebung von T. unternommen. Die Klägerin ritt bei diesem Ausflug das Pferd P., ein 11-jähriges englisches Vollblut, das die Zeugin H. D. von ihrem Großvater geschenkt bekommen hatte und das auf dem Hof des Insolvenzschuldners eingestellt war.
Gegen Ende des Ausfluges ereignete sich unter Umständen, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind, ein Unfall dergestalt, dass die Klägerin in Höhe einer Weggabelung, in deren Mitte sich seinerzeit eine Eiche befand, vom Pferd fiel und sich insbesondere eine schwere Kopfverletzung zuzog. Das Pferd P. trug in Zusammenhang mit dem Unfall eine Verletzung am vorderen oberen rechten Bein im Bereich des Übergangs zum Rumpf am Buggelenk mit einem Durchmesser von ca. 10 cm davon.
Aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen, wegen deren Einzelheiten auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen wird, ist die Klägerin bis heute linksseitig gelähmt, hat Sprechstörungen und ist sowohl auf den Rollstuhl als auch in vielfältiger Weise auf fremde Hilfe angewiesen.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei - insoweit unstreitig - im Galopp und ohne Reithelm geritten. Auf Höhe eines Abzweigs sei P. plötzlich durchgegangen und habe sie durch eine Drehung nach rechts abgeworfen. Die Zeugin H. D. sei hinter ihr geritten. Sie habe das Pferd nicht herumgerissen und beide Tiere seien auch nicht miteinander kollidiert. Die Verletzung des Pferdes P. sei bei dem Unfall selbst entstanden. Aus der durch den Zeugen I. gefertigten Unfallskizze sei erkennbar, dass die Geschädigte an der Weggabelung links an der Eiche habe vorbeireiten wollen, dass Pferd dann jedoch nach rechts gezogen und sie abgeworfen habe.
Der Beklagte und die Streithelferin haben den Unfallhergang bestritten; sie haben insbesondere in Abrede gestellt, dass die spezifische Tiergefahr des Pferdes P. ursächlich für den Unfall geworden ist. Sie haben die Auffassung vertreten, der Klägerin sei unter verschiedenen Gesichtspunkten (z.B. wegen Reitens im Galopp auf sandiger Strecke) ein Mitverschulden zur Last zu legen. Ein Mitverschulden treffe diese jedenfalls deshalb, weil sie keinen Reithelm getragen habe; mit Reithelm hätte die Klägerin keine oder jedenfalls keine derart gravierenden Kopfverletzungen davongetragen. Sie haben die Einrede der Verjährung sowohl in Bezug auf die ursprüngliche Klageforderung als auch in Bezug auf die Klageerweiterung erhoben. Schließlich haben der Beklagte und die Streithelferin sich unter verschiedenen Gesichtspunkten darauf berufen, es bestehe kein Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Unfall.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C. D. und H. D. und sodann die Klage abgewiesen. Es hat dahinstehen lassen, ob der Reitunfall auf der Verwirklichung der sog. spezifischen Tiergefahr beruht und die insoweit beweispflichtige Klägerin diesen Umstand bewiesen habe. Der Anspruch bestehe bereits deshalb nicht, weil sich die Klägerin ein so überwiegendes Mitverschulden entgegenhalten müsse, dass die in Betracht kommende Gefährdungshaftung des Pferdehalters dahinter zurücktrete.
Derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen habe, müsse die Vermutung des § 834 BGB gegen sich gelten lassen, dass ihn ein Verschulden treffe und dieses Verschulden für den Schaden ursächlich geworden sei. Dies gelte auch im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses. Es obliege infolgedessen der Klägerin die Verschuldens- und Verursachungsvermutung zu widerlegen.
Den ihr danach obliegenden Entlastungsbeweis habe die Klägerin nicht geführt. Nach dem Ergebnis ...