Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.04.2024; Aktenzeichen IX ZR 239/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.06.2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 235.976,63 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Mit Beschluss vom 26.02.2015 eröffnete das Amtsgericht Hamburg auf den am 09.01.2015 eingegangenen Eigenantrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin - der ... mbH - und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Dieser macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Rückerstattung der von der Schuldnerin im Zeitraum vom 25.08. bis 14.11.2014 gezahlten Luftsicherheitsgebühren unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung geltend.

Vor jedem Boarding durchsuchten Beamte der Bundespolizei Passagiere der Schuldnerin und deren Gepäck zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs. Die Bundespolizei erhob hierfür durch ihre Polizeidirektionen H., K., St. Oder P. gegenüber der Schuldnerin Luftsicherheitsgebühren, die jeweils zentral an die Bundeskasse H. zu zahlen waren. Geschah dies nicht, wurden sie zuerst von den jeweiligen Bundespolizeidirektionen gemahnt. Bei erfolgloser Mahnung übernahm die Bundeskasse H. die Eintreibung offener Gebührenforderungen zentral für alle Polizeidirektionen, verbuchte Zahlungseingänge auf die jeweiligen Forderungen und ordnete Zahlungsausfälle zu. Blieben auch diese Durchsetzungsmaßnahmen der Bundeskasse H. erfolglos, ordneten die zentralen Polizeidirektionen die Zwangsvollstreckung wegen der offenen Forderungen an und leiteten den Vorgang an das Hauptzollamt G. weiter, welches wiederum zentral für die Durchführung der Zwangsvollstreckung zuständig war.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 278.986,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 27.02.2015 bis zum 04.04.2017 sowie aus 229.794,59 EUR seit dem 05.04.2017 und aus 49.191,66 EUR seit dem 13.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird wegen der Prozessgeschichte und des Vorbringens der Parteien auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit diesem Urteil - auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird - hat das Landgericht der Klage überwiegend in Höhe von 235.976,63 EUR nebst Zinsen stattgegeben und zwar wegen der von der Schuldnerin ab dem 25.08.2014 geleisteten, auf Seite 9f. des Tatbestandes und 13f der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils unter Ziffer 1 - 20 aufgeführten Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 143 S. 1, 133 Abs. 1 InsO a. F. Zudem seien die innerhalb der Dreimonatsfrist seit Eingang des Insolvenzeröffnungsantrages am 09.01.2015 ab dem 17.10.2014 geleisteten, dort unter Nummer 6 - 20 genannten Zahlungen in Höhe von 152.604,61 EUR gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO a.F. erfolgreich angefochten. Bei alledem müsse sich die Beklagte auch die Kenntnis der von ihr beauftragten Mitarbeiter der Bundeskasse H. und des Hauptzollamtes G. analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

Wegen des erstinstanzlich geltend gemachten, weitergehenden Betrages in Höhe von 43.009,62 EUR nebst Zinsen für im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erbrachten Zahlungen sei die Klage hingegen unbegründet.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30.06.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.07.2021 Berufung eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde und diese nach einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2021 am 23.09.2021 begründet.

Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hält sie die Klage im zuerkannten Umfange weiterhin für unbegründet.

Sie bestreitet eine Kenntnis von Umständen, die auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin ab dem 25.08.2014 hätten schließen lassen. Dabei müsse sie sich auch eine Kenntnis der Mitarbeiter der Bundeskasse oder des Hauptzollamtes nicht zurechnen lassen.

Außerdem müsse wegen ihrer Vorleistungspflicht eine teleologische Reduktion des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgen; selbst beim Wissen um eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin sei sie verpflichtet gewesen, die Passagiere der Schuldnerin und deren Gepäckstücke zum Schutz der Flugsicherheit zu durchsuchen.

Was eine Vorsatzanfechtung anbelange, so habe die Schuldnerin keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehabt; jedenfalls sei ein solcher der Beklagten nicht bekannt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Beru...

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