Verfahrensgang
AG Prenzlau (Urteil vom 18.05.1999; Aktenzeichen 7 F 169/98) |
Tenor
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das am 18. Mai 1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts Prenzlau – Zweigstelle Templin – hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin ab dem 10. September 1991 bis zum 30. Juni 1998 den jeweiligen Regelunterhalt und ab dem 1. Juli 1998 bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres Unterhalt in Höhe von 100 % der Regelbeträge gemäß den Altersstufen der Regelbetragsverordnung, vermindert oder erhöht um die nach den §§ 1612 b, 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen, monatlich im voraus zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 521, 522 Abs. 2 ZPO zulässige selbständige Anschlußberufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Unrecht den vor dem 1. Juli 1998 geltend gemachten, aus §§ 1601 ff, 1610 BGB folgenden Regelunterhaltsanspruch der Klägerin abgewiesen.
Da die Klage erst nach dem 1. Juli 1998 eingereicht worden ist, gilt für das Verfahren und das materielle Recht grundsätzlich das neue, ab dem 1. Juli 1998 mit der Kindschaftsrechtsreform in Kraft getretene Recht. Soweit allerdings für Zeiträume vor Juli 1998 Regelunterhaltsansprüche geltend gemacht werden, ist zu beachten, daß vor dem 1. Juli 1998 Unterhalt gemäß der Regelunterhaltsverordnung und erst nach diesem Zeitpunkt gemäß der Regelbetragsverordnung begehrt werden kann. Die 1. Verordnung zur Festsetzung des Regelbedarfs im Land Brandenburg (1. Regelbedarfsverordnung) gilt seit Juni 1991 und erfaßt daher auch die Zeit ab der Geburt der Klägerin …. Unter Berücksichtigung dessen hat der Senat den Tenor des angefochtenen Urteils, der bis einschließlich Juni 1999 Regelunterhalt zugesprochen hat, aus Klarstellungsgründen insgesamt neu gefaßt.
Die Klägerin ist an der Geltendmachung der bis zu ihrer Geburt zurückreichenden Unterhaltsansprüche aufgrund der im erstinstanzlichen Verfahren festgestellten Vaterschaft des Beklagten nicht gem. § 1613 BGB gehindert. Unterhalt für die Vergangenheit kann zwar grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB (Verzug, Rechtshängigkeit) gefordert werden. Eine Ausnahme gilt aber gemäß § 1613 Abs. 2 Ziffer 2 a BGB, sofern der Unterhaltsberechtigte für den vergangenen Zeitraum aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. Von dieser Vorschrift werden alle vor der Feststellung der Vaterschaft liegenden Zeiträume erfaßt. Dies folgt aus der Sperrwirkung des § 1600 d Abs. 4 BGB; nach dieser Vorschrift können die Rechtswirkungen der Vaterschaft, zu denen auch die aus §§ 1601 ff. BGB folgenden Unterhaltspflichten zählen, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.
Soweit sich der Beklagte auf seine Einkommensverhältnisse beruft und dabei behauptet, für den Regelunterhalt leistungsunfähig zu sein, ist eine nähere Überprüfung seiner Behauptungen nicht möglich, da dieser Einwand im vorliegenden Verfahren nicht zu beachten ist. Im Verfahren nach § 653 ZPO sind Einwendungen nur beschränkt zulässig. Die eingeschränkte Prüfungsbefugnis ergibt sich aus dem Ausnahmecharakter des § 653 ZPO. Kindschaftssachen, zu denen auch Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft zählen (§ 640 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO), können mit einer Klage anderer Art nicht gem. § 260 ZPO verbunden werden, § 640 c Abs. 1 Satz 1 ZPO. Einzige Ausnahme hierzu bildet § 653 Abs. 1 ZPO, der die Möglichkeit eröffnet, mit der Klage auf Vaterschaftsfeststellung zugleich Unterhalt in Höhe der Regelbeträge zu verlangen, vgl. auch § 653 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Verfahren nach § 653 ZPO ist stark schematisiert: Das Kind kann einen Unterhaltsanspruch nur bis zur Höhe des Regelbetrages geltend machen (§ 653 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO), nicht aber darüber hinaus (§ 653 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Einwendungen, die die Herauf- bzw. Herabsetzung des Unterhaltsanspruches betreffen und damit regelmäßig zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen können, sind deshalb dem Abänderungsverfahren nach § 654 ZPO vorzubehalten; insbesondere kann der Beklagte nicht seine fehlende oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit oder die mangelnde Bedürftigkeit des klagenden Kindes geltend machen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. 2000 § 653 Rn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999 § 653 Rn. 5 f.; Musielak, ZPO, 1998 § 654 Rn. 3; Lipp/Wagenitz, Das neue Kindschaftsrecht, 1999 § 653 ZPO Rn. 2; siehe auch Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl. 1999 § 653 Rn. 3; zum alten Recht – § 643 ZPO a.F. – siehe OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 712 f.).
Ob dagegen die zur alten Fassung des § 643 ZPO herrschende Meinung, nach der Einwendungen gegen den Grund des Anspruches bereits in diesem Verfahren geltend gemacht...