Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 26.07.2023; Aktenzeichen 14 O 305/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2023 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 14 O 305/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.12.2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der ärztlichen Behandlung vom 22.02. bis 14.03.2017 im Hause der Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 85 % die Klägerin und zu 15 % die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden mit der Behauptung einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung geltend.

Am 21.02.2017 erlitt die Klägerin in Polen einen Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen unter anderem des rechten Armes. Die Versorgung erfolgte zunächst in einem Krankenhaus in Z...G.... Auf eigenen Wunsch wurde sie am 22.02.2017 in das Klinikum der Beklagten verlegt, wo am gleichen Tag eine Angiographie durchgeführt wurde. Auf den Bericht vom 23.02.2017 wird Bezug genommen.

Im Zeitraum vom 23.02.2017 bis zum 13.03.2017 führten die Ärzte der Beklagten sechs Operationen u.a. zur Wundversorgung mit dem Ziel der Wiederherstellung des rechten Armes durch, wobei am 25.02.2017 erneut über die mögliche Amputation des Armes gesprochen wurde.

Am 14.03.2017 bemerkte die Klägerin Verfärbungen der Finger ihrer rechten Hand. Die behandelnden Ärzte entschieden nach Hinzuziehung einer Gefäßchirurgin gegen 18:30 Uhr und einer Dopplersonographie, die einen gesicherten Gefäßverschluss ergab, gegen 19:30 Uhr, die Klägerin in Absprache mit der aufnehmenden Klinik nach B...S... zu verlegen. Die Verlegung erfolgte mit einem Notarztwagen um 20:12 Uhr. Die Klägerin wurde operiert und die arterielle Thrombose entfernt. Nachdem in der Folgezeit der venöse Abstrom im Hand- und Unterarmbereich nicht wieder eröffnet werden konnte, musste der rechte Arm der Klägerin am 17.03.2017 amputiert werden. Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 70.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.000 EUR nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, ein Behandlungsfehler am 14.03.2017 sei nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht festzustellen. Dies gelte sowohl für die Verlegung der Klägerin als auch für die Heparingabe. Allerdings sei der Angiografiebefund vom 22./23.02.2017 fehlerhaft gewesen. Hätten die behandelnden Chirurgen von den Engstellen gewusst, wäre eine Erweiterungsplastik eingesetzt und der Gefäßverschluss am 14.03.2017 verhindert worden. Damit sei auch die Amputation der Beklagten zuzurechnen. Allerdings müsse davon ausgegangen werden, dass der rechte Arm der Klägerin bereits durch den Unfall so schwer geschädigt gewesen sei, dass sie auch bei Erhalt des Armes diesen nicht wieder hätte gebrauchen können. Er hätte dann allenfalls die Funktion im Sinne einer "Bioprothese" gehabt. Ebenso hätte die Klägerin mit dauerhaft intensiven Schmerzzuständen einschließlich einer starken Schmerzmedikamentation leben müssen. Angesichts dessen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR angemessen. Dem Feststellungsantrag sei nicht stattzugeben, nachdem die Klägerin materiellen Schadensersatz bislang nicht beziffert habe. Dies gelte auch für zukünftige materielle Schäden. Auch hinsichtlich der immateriellen Folgeschäden fehle es an einem Feststellungsinteresse, nachdem sie weder dargetan habe noch sonst ersichtlich sei, welche immateriellen Folgeschäden, die noch nicht berücksichtigt seien, auftreten könnten. Hinzu komme, dass die Klägerin ein sehr schweres Trauma in dem Bereich erlitten habe, sodass auch nicht festzustellen sei, dass nachfolgende Operationen, wie z.B. an der Schulter, auf den vorliegenden Behandlungsfehler zurückgeführt werden könnten. Eine Schmerzensgeldrente komme nicht in Betracht. Wegen der tatsächlichen Feststell...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?