Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 20.09.2023; Aktenzeichen 8 O 255/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 20.09.2023 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O 255/22, teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. an den Kläger zu 1. einen weiteren Betrag i. H. v. 2.500 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.11.2022 zu zahlen;
2. die Kläger von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 319,87 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger jeweils selbst.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger machen Hinterbliebenengeld geltend. Am XX.XX.2020 fuhr die Mutter des Klägers, Frau (Name), gegen 10:45 Uhr mit dem Fahrrad entlang der (Straße) in (Ort 1) in Fahrtrichtung (Ort 2) auf der linken Fahrbahnseite auf einem kombinierten Fuß- und Radweg, der für die Fahrtrichtung nicht freigegeben war. Der Beklagte zu 1 führte einen von der Beklagten zu 2 gehaltenen Bus mit dem amtlichen Kennzeichen ... ebenfalls in Fahrtrichtung (Ort 2) und hielt mit sichtbar eingeschaltetem linken Fahrtrichtungsanzeiger auf der Linksabbiegerspur vor den Bahnschranken in Höhe der Buswendeschleife. Nachdem ihm ein entgegenkommender Kfz-Führer per "Lichthupe" angezeigt hatte, ihn fahren zu lassen, fuhr er bis zur Haltelinie der Linksabbiegerspur vor, vergewisserte sich hinsichtlich des bevorrechtigten Verkehrs und bog mit etwa 9 km/h in die Buswendeschleife ein. Als der Bus den Fuß- und Radweg bereits bis zu "seinem Gelenk" des 18,1 m langen Busses überfahren hatte, kam es zur Kollision mit Frau (Name), die ohne zu bremsen unmittelbar vor dem Kontakt mit der linken Busseite nach links steuerte. Frau (Name) stürzte, geriet mit dem rechten Arm unter den Bus und verstarb wenige Stunden später an den Unfallfolgen.
Der Beklagte zu 1 ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 16.12.2022, Az.: 84 Ds 486 Js 4127/21, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Der Kläger und seine Lebensgefährtin, die Klägerin zu 2, haben vorgetragen, sie lebten seit 7 Jahren zusammen in einem eigenen Haushalt und hätten ein inniges und bezüglich der Klägerin zu 2 ein elternähnliches Verhältnis gehabt. Nach dem Versterben hätten sie sich anstelle der Mutter um den Vater des Klägers kümmern müssen, der zunehmend abgebaut habe und pflegebedürftig geworden sei. Besonders schwer sei es auch gewesen, den Tod ihrem gemeinsamen Kind zu vermitteln. Aufgrund des Versterbens stünde ihnen jeweils ein Hinterbliebenengeld von 50.000 EUR zu.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Beklagte zu 1 habe den Abbiegevorgang vorschriftsgemäß durchgeführt und Frau (Name) nicht sehen und daher den Unfall auch nicht vermeiden können. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen (Name) habe sich Frau (Name) zum Zeitpunkt des Blicks in den Außenspiegel des Busses noch 30,3 m vom späteren Ort der Kontakteinleitung befunden und sei durch das dort befindliche Wartehäuschen verdeckt gewesen. Zudem habe die verbotswidrig auf falscher Fahrbahnseite fahrende Frau (Name) nicht gebremst, obwohl es ihr möglich gewesen wäre, rechtzeitig zum Halt zu kommen.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von jeweils 2.500 EUR zuzüglich Zinsen und Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 659,74 EUR nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt, ein Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG komme nicht in Betracht. Auch den nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG möglichen Entlastungsbeweis hätten die Beklagten nicht geführt. Nach dem Ergebnis des Strafverfahrens und dem dort eingeholten Gutachten des Sachverständigen (Name) stehe nicht fest, dass der Unfall für den Beklagten zu 1 vermeidbar gewesen wäre. So hätte der Beklagte zu 1 die Unfallgefahr absehen können, wenn er in Vorbereitung des Linksabbiegens einen ausgeprägten, mit der notwendigen Sorgfalt ausgeführten Blick nach links durchgeführt hätte. Dann hätte er die Annäherung der Frau (Name) wahrnehmen können. Hätte er dann vom Abbiegen abgesehen, wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Zugleich liege darin ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 S. 1 StVO. Die Beklagten hätten insoweit auch nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen dürfen. Mithin hafteten die Bek...