Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Einkommensersatzfunktion einer Unfallrente. zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Stammt ein Vermögenswert aus dem Verkauf eines gemeinsamen Hauses, ist im Rahmen der Billigkeitsabwägung i.S.d. § 1577 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsverpflichtete einen entsprechenden Erlösanteil zur freien Verfügung erhalten hat und in welcher Höhe der Unterhaltsberechtigte sonstiges Vermögen oder Altersversorgung besitzt.
2. Eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung hat Einkommensersatzfunktion mit der Folge, dass die Deckungsvermutung bei schadensbedingten Mehraufwendungen keine Anwendung findet, so dass behinderungsbedingter Mehraufwand im Einzelnen dargelegt und ggf. bewiesen werden muss.
3. Der billige Selbstbehalt ggü. einem unterhaltsberechtigten Ehegatten beträgt grundsätzlich 1.000,00 EUR. Eine Herabsetzung ist dann gerechtfertigt, wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht mehr erwerbstätig ist.
4. Im Rahmen der zeitlichen Begrenzung eines Unterhaltsanspruchs ist von Bedeutung, welche Zeit der Unterhaltsberechtigte benötigt, um sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Dass zwischen Trennung und rechtskräftiger Scheidung ein erheblicher Zeitraum liegt, ist bei der Abwägung hinsichtlich der Rechtsfolge nach § 1578b Abs. 2 S. 1 BGB ebenfalls von Bedeutung.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 3, § 1578 Abs. 1 S. 1, §§ 1578b, 1579 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Eisenhüttenstadt (Urteil vom 22.02.2008) |
Tenor
Auf die Berufungen beider Parteien wird das am 22.2.2008 verkündete Urteil des AG Eisenhüttenstadt in seinem Ausspruch über den nachehelichen Unterhalt und in seinem Ausspruch über die Kosten abgeändert.
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt von monatlich 194 EUR, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats, zu zahlen, und zwar beginnend mit dem ersten auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monat für die Dauer von sechs Jahren.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die in erster Instanz auf die Folgesache Ehegattenunterhalt entfallenen Kosten und die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin macht im Scheidungsverbund nachehelichen Unterhalt geltend.
Der 1937 geborene Antragsteller und die 1935 geborene Antragsgegnerin haben am 12.8.1980 geheiratet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Trennung im Dezember 2000 oder erst zum 1.2.2003 erfolgt ist. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen.
Durch das angefochtene Urteil vom 22.2.2008 hat das AG die Ehe der Parteien geschieden, im Rahmen des Versorgungsausgleichs eine Rentenanwartschaft von 109,95 EUR vom Versicherungskonto des Antragstellers auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin übertragen und den Antragsteller zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalts von 270 EUR für die Dauer von vier Jahren verurteilt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen die Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Der Antragsteller trägt vor:
Auf der Grundlage der vom AG zugrunde gelegten Zahlen, also unter Heranziehung seiner Unfallrente nur zur Hälfte, ergebe sich ein Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin von nur 160 EUR, wenn man berücksichtige, dass sich ihr Einkommen infolge des durchgeführten Versorgungsausgleichs um 109,95 EUR erhöhe. Vor diesem Hintergrund sei die Berufung gerechtfertigt.
Darüber hinaus habe er bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin ihr Vermögen aus dem Hausverkauf von 28.706,95 EUR für ihren Lebensunterhalt einsetzen müsse.
Die vom AG vorgenommene Befristung des nachehelichen Unterhalts auf vier Jahre sei schon deshalb angezeigt, weil man tatsächlich nur in der Zeit vom 18.11.1998 bis zum 24.12.2000 einen gemeinsamen Haushalt in der A. 1 in R. geführt habe. In der Zeit davor, also seit Eheschließung im Jahre 1980 bis 1998, habe die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung in B. im Weg 22 gehabt. Im Dezember 2000 schließlich sei die Trennung erfolgt.
Während des ehelichen Zusammenlebens habe es hinsichtlich der Versorgung der zahlreichen Kleintiere eine strikte Trennung gegeben. Er habe die Gänse, Schafe und Hühner versorgt, deren Haltung er als Hobby betrieben habe. Die Antragsgegnerin habe Schweine gezüchtet und den Erlös aus dem Verkauf dieser Tiere selbst vereinnahmt.
Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils ihn zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von 160 EUR für die Dauer von vier Jahren zu verurteilen und die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antragsteller unter ...