Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aufhebung der Ehe wegen unterbliebenen Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft. Zulässigkeit der Verbindung eines Eheaufhebungsantrages mit einem Scheidungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Eheaufhebungstatbeständen der arglistigen Täuschung und der Scheinehe.

2. Hat das AG die Ehe gem. § 1314 BGB aufgehoben und erweist sich im Berufungsverfahren, dass Aufhebungsgründe nicht gegeben sind, dafür die Voraussetzungen für die Ehescheidung vorliegen, aber der Versorgungsausgleich noch nicht durchgeführt ist, kann das Verfahren analog § 629b ZPO aufgehoben und zurückverwiesen werden.

 

Normenkette

BGB § 1314; ZPO § 629b

 

Verfahrensgang

AG Eisenhüttenstadt (Urteil vom 15.06.2007; Aktenzeichen 3 F 65/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 15.6.2007 verkündete Urteil des AG Eisenhüttenstadt abgeändet.

Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Ehe wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache an das AG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Aufhebung, hilfsweise Scheidung, der am 20.4.2006 mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe.

Der Antragsteller wurde am 13.8.1927 geboren, die Antragsgegnerin am 20.4.1939.

Der Aufhebungs- bzw. Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 15.8.2006 zugestellt worden (Bl. 8).

Durch das angefochtene Urteil vom 15.6.2007 (Bl. 121) hat das AG die Ehe der Parteien aufgehoben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung. Sie trägt vor:

Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe seien nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des AG sei eine häusliche Gemeinschaft kein die Ehevollziehung begründender Tatbestand. Man habe die Freizeit gemeinschaftlich verbracht. Sie habe für den Antragsteller gesorgt, ihn bekocht, verpflegt und auch versorgt. Er habe auch bei ihr übernachtet. Auch wenn jeder Ehegatte seinen eigenen Wohnraum beibehalten habe, habe man die Freizeit im Wesentlichen gemeinschaftlich verbracht.

Mit dem Hilfsantrag, gerichtet auf Ehescheidung, habe sich das AG nicht auseinandergesetzt. Deshalb werde darauf auch nicht eingegangen. Sie wolle aber nach wie vor an der Ehe fest halten.

Die Antragsgegnerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt er, die Ehe zu scheiden und dabei den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen.

Er trägt vor:

Zu Recht habe das AG die Ehe der Parteien aufgehoben. Die häusliche Gemeinschaft, die vorliegend nicht bestehe, stelle eine Hauptpflicht der Ehegatten dar. Die Antragsgegnerin habe ihn nach der Eheschließung auch nicht bekocht, verpflegt oder versorgt. Er habe lediglich 3-4 Mal nach der Eheschließung in der Wohnung der Antragsgegnerin übernachten dürfen, ohne dass es zu körperlichen Kontakten gekommen sei.

Da zwischen den Parteien unstreitig seit Mai 2006 kein Kontakt mehr bestehe, sei die Ehe, wenn nicht schon aufzuheben, jedenfalls zu scheiden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Parteien angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 18.9.2007 Bezug genommen.

II. Auf die Berufung der Antragsgegnerin ist der Hauptantrag des Antragstellers, gerichtet auf Aufhebung der Ehe der Parteien, zurückzuweisen. Wegen des Hilfsantrags, gerichtet auf Scheidung der Ehe, ist die Sache an das AG zurückzuverweisen.

1. Die Ehe der Parteien ist nicht aufzuheben. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Aufhebungstatbestände des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 5 BGB sind nicht gegeben.

a) Entgegen der Auffassung des AG liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann die Ehe aufgehoben werden, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen. Nach § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung, § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Mit diesem Aufhebungstatbestand soll der Begründung von Scheinehen entgegengewirkt werden. Dies betrifft insbesondere den Fall, dass eine Ehe nur geschlossen wird, um einem ausländischen Partner die Einreise nach oder den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1314, Rz. 14). Da die Vorschrift als Generalklausel allgemein gefasst ist, können unter dem Wortlaut auch reine Versorgungsehen fallen, also solche, die aus steuerlichen Gründen (Ehegatten-Splitting, Erbschaftssteuer) oder versorgungsrechtlichen Gründen (Witwenpension oder -rente) geschlossen werden (vgl. Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1314, Rz. 78...

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