Leitsatz (amtlich)
Die teilweise Entfernung des linken Eileiters sowie die Verlängerung der Eileiterschwangerschaft um einen Zeitraum von 13 Tagen aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers (hier: Unterlassen der Feststellung des ß-HCG Wertes bei der Diagnose einer gestörten intrauterinen Schwangerschaft im Hinblick auf eine Eileiterschwangerschaft) rechtfertigen kein über den Betrag von 4.000 EUR hinausgehendes Schmerzensgeld.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 831; BGB a.F. § 847 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 11.09.2008; Aktenzeichen 11 O 83/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das am 11.9.2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Potsdam, Az.: 11 O 83/04, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 4.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.5.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in dieser Instanz haben die Klägerin zu 89 % und die Beklagten zu 1. zu 11 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. in erster Instanz haben die Klägerin zu 78 % und die Beklagte zu 1. zu 22 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. hat die Klägerin zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 69 % und die Beklagte zu 1. zu 31 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Beklagte zu 1. stützt ihr Rechtsmittel u.a. darauf, das LG habe zu Unrecht die Kausalität eines ihr gegebenenfalls vorzuwerfenden Behandlungsfehlers für die Beeinträchtigungen der Klägerin bejaht, obwohl die Klägerin einen entsprechenden Nachweis nicht erbracht habe und auch eine Beweislastumkehr nicht zu rechtfertigen sei, da sich die Risiken der verzögerten Entdeckung einer Eileiterschwangerschaft im vorliegenden Fall nicht realisiert hätten. Die Beklagte zu 1. macht damit eine Rechtsverletzung geltend, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 4.000 EUR aus §§ 847 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 BGB a.F. wegen einer fehlerhaften Behandlung der Klägerin im März und April 2002. Da die unzureichende ärztliche Betreuung der Klägerin bereits vor dem 1.8.2002 stattgefunden hat, ist auf die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt abzustellen, Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
a) Zutreffend hat das LG bereits im Rahmen der Behandlung der Klägerin am 29.3.2002 einen Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers angenommen, weil die an diesem Tage gestellte Diagnose einer gestörten intrauterinen Schwangerschaft nicht durch weitere Untersuchungen überprüft worden ist. Zwar weist die Beklagte zu 1. zutreffend darauf hin, dass Diagnosefehler in Form der Fehlinterpretation eines Befundes nur mit Zurückhaltung anzunehmen sind, nämlich wenn die Diagnose angesichts weiterer Befunde nicht mehr vertretbar ist oder der Arzt eindeutige Symptome nicht erkennt oder falsch deutet (BGH VersR 1981, 1033; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rz. 154; Geiß/Greiner, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., Teil B, Rz. 55). Ein ärztlicher Fehler im Sinne eines Befunderhebungsfehlers liegt indes vor, wenn der Arzt sich darauf beschränkt, lediglich die vorliegenden Befunde auszuwerten, obwohl er aus medizinischer Sicht weitere Befunde hätte erheben müssen, insbesondere um seinen Verdacht vom Vorliegen einer bestimmten Beeinträchtigung mit den hierfür üblichen Befunderhebungen abzuklären, also entweder zu erhärten oder auszuräumen (BGH VersR 2007, 1697; VersR 2008, 221; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 2004, S. 224; Steffen/Pauge, a.a.O., Rz. 155; Geiß/Greiner, a.a.O., Rz. 65). So liegt der Fall auch hier. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. M., wonach die Diagnose einer gestörten intrauterinen Schwangerschaft durch die Beklagte zu 1. am 29.3.2002 vertretbar gewesen ist, zugleich aber aufgrund des positiven Schwangerschaftstestes und der irregulären vaginalen Schmierblutungen, die neben dem Vorhandensein von zwischen den Parteien streitigen Unterbauchschmerzen die klassischen Symptome einer extrauterinen Gravidität darstellen, bereits zu diesem Zeitpunkt auch eine extrauterine Gravidität hätte in Betracht gezogen und durch Bestimmung des ß-HCG Wertes überprüft werden müssen. Der Sachverständige hat sowohl in seinem Ausgangsgutachten vom 28.9.2005 als auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 18.5.2006 nachvollziehbar dargelegt, dass bei einer Schwangerschaft unklarer Lokalisation und dem Vorliegen einer vaginalen Blutung unabhängig von einer Schmerzsymp...