Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 11.10.2023; Aktenzeichen 6 O 357/21)

 

Tenor

Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Senats vom 11.10.2023 wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.01.2023 teilweise wie folgt abgeändert:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 25.02.2022 wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte zur Zahlung von 92.172,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.12.2021 verurteilt worden ist.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 25.02.2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Zahlung des ausgeurteilten Betrages (92.172,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2021) seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag decken, den die begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Insolvenzverwalter bis zur Höhe des ausgeurteilten Betrages zu verfolgen.

Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil des Senats vom 11.10.2023 aufrechterhalten.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 35 % und der Beklagte 65 % zu tragen; hiervon ausgenommen sind die Kosten seiner Säumnis in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Potsdam vom 25.02.2022 und des Senats vom 11.10.2023, die der Beklagte zu tragen hat.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch können der Beklagte die Vollstreckung des Klägers und der Kläger die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 120 % des gegen sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Gegenseite Sicherheit in Höhe von jeweils 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der (Firma 1) G. und B. GmbH & Co.KG (im Folgenden: Schuldnerin) den Beklagten, der Geschäftsführer deren Komplementärin war, auf Zahlung gemäß § 130a HGB in Anspruch.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Schuldnerin sei seit 01.01.2017 zahlungsunfähig gewesen, denn zu diesem Zeitpunkt hätten fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs - mindestens i.H.v. 110.866,14 EUR - bestanden, die - insoweit unstreitig - bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien. Die vom Beklagten von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der (Kreditinstitut 1) unstreitig veranlassten, in der Klageschrift (dort S. 8-42) aufgeführten, Zahlungen im Umfang von insgesamt 139.798,81 EUR seien, da nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht vereinbar gewesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zustellung der Klage am 27.01.2022 unter der darin angegebenen Anschrift (Straße, Nr.) in (Ort) sei wirksam, weil es sich um den Geschäftssitz der (Firma 1) Verwaltungsgesellschaft mbH und damit um den Arbeitsplatz des Beklagten gehandelt habe.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und insofern geltend gemacht, die Klage sei ihm erst am 25.05.2022 zugestellt worden. Die durch Einlegung in den Briefkasten bewirkte Zustellung der Klageschrift am 27.01.2022 sei unwirksam, denn unter der betreffenden Anschrift - (Straße, Nr.) - habe er seit dem 16.09.2020 nicht (mehr) gewohnt.

Des Weiteren hat er gegen seine Inanspruchnahme im Wesentlichen eingewandt, Insolvenzreife sei nicht am 01.01.2017 eingetreten, denn der Jahresabschluss 2016 habe einen Überschuss von 18.612,63 EUR ausgewiesen und es seien noch Rechnungen im Umfang von mehr als 140.000 EUR bezahlt worden. Er bestreite auch die behaupteten fälligen Verbindlichkeiten. So sei die Forderung der (Kreditinstitut 2) nur in der Höhe berechtigt, in der sie in der Tabelle zur lfden Nr. 20 aufgeführt sei. Die Forderungen der (Kreditinstitut 3) (lfde Nrn. 3, 6, 8 und 11) seien unbegründet, denn die geleaste bzw. per Mietkauf erworbene Hardware sei zurückgegeben worden und die verlangten Mehrkosten seien unberechtigt, weil die zurückgegebene Ware zu niedrig bewertet worden sei - was er nicht akzeptiert habe. Auch die (Firma 2) GmbH stelle unberechtigte Forderungen, über die bereits ein Klageverfahren geführt worden sei; obwohl wegen falscher Betriebskostenabrechnungen fristlos gekündigt worden sei, habe die (Firma 2) GmbH für weitere 5 Jahre Zahlungen gefordert. Der (Kreditinstitut 4) stünden keine Forderungen zu, denn diese habe das von der Schuldnerin nach nur 4 Monaten zurückgegebene Leasingfahrzeug inakzeptabel zu niedrig bewertet.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit der folgenden Ergänzung auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO): Der Kläger schrieb noch im Juni 2021 (...) die (Firma 1) Verwaltungsgesellschaft mbH unter der Anschrift (Straße, Nr.) in (PLZ, Ort) an, woraufhin sich der spätere Prozessbevollmächtigte des Beklag...

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