Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 14.06.2011; Aktenzeichen 1 O 579/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Juni 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Neuruppin - Az.: 1 O 579/10 - abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.313,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. September 2006 zu zahlen. Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € frei zu stellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger als Insolvenzverwalter der W... AG ("Schuldnerin") begehrt im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr von Zahlungen, die die Schuldnerin zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten aus Inhaberschuldverschreibungen geleistet hat.
Die Schuldnerin gab seit dem Jahre 1999 Inhaberschuldverschreibungen aus. Der Beklagte erwarb hiervon zwei (Nr. ... in Höhe von 5.112,92 € und Nr. ... in Höhe von 5.000,00 €). Nachdem die Schuldnerin ihrer Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Beklagten nicht nachkam, mahnte dieser die Schuldnerin am 12. Februar 2006 und am 05. März 2006 (Bl. 56 f. d.A.). Am 04. April 2006 mahnte der vom Beklagten beauftragte spätere Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt ... die Schuldnerin. In dieser Mahnung heißt es u. a. wie folgt:
"Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sich die W... AG mit der Zahlung in Verzug befindet. (...) Wir erwarten den Eingang der Zahlung bis spätestens Dienstag, 11.04.2006. Sollten Sie diese Frist verstreichen lassen, bin ich beauftragt, alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Forderung meines Mandanten durchzusetzen, d.h., wir werden ohne weitere Mahnung Klage erheben. Mein Mandant kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass (die Schuldnerin) nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (wofür in der Tat einiges spricht). Sollte sich dieser Verdacht erhärten und wir keinen Zahlungseingang innerhalb der vorgegebenen Frist verzeichnen können, so behalten wir uns ausdrücklich vor, Insolvenzantrag zu stellen."
Die Schuldnerin überwies am 12. April 2006 den gesamten eingeforderten Betrag einschließlich Zinsen und Anwaltskosten. Am 19. Juni 2006 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 01. September 2006 eröffnet wurde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zahlung der Schuldnerin in Höhe von 11.313,77 € sei erfolgt, obwohl sie spätestens seit dem 11. Januar 2006 zahlungsunfähig gewesen sei. Die Zahlung sei schon deshalb inkongruent, weil der Vertreter die Schuldnerin mit der Drohung, einen Insolvenzantrag zu stellen, unter Druck gesetzt habe. Den anwaltlichen Vertretern des Beklagten sei die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aus einer Vielzahl anderer Mandate bekannt gewesen. Diese Kenntnis lasse sich auch aus dem - unstreitigen - Umstand ableiten, dass sie Vertrauensanwälte des "...." (im Folgenden: B...) gewesen seien, welcher im Internet am 11. Januar 2006 (Bl. 53 d.A.) und am 25. Februar 2006 (Bl. 54 d.A.) vor der Anlage gewarnt und nachdrücklich auf erhöhte Risiken hingewiesen habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.313,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. September 2006 zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € frei zu stellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet, Kenntnis von einer gegebenenfalls vorhandenen Zahlungsunfähigkeit gehabt zu haben. Die Zahlung sei bei kongruenter Deckung geleistet worden; die Ankündigung der Insolvenzantragstellung in dem Anwaltsschreiben sei nur eine der dargestellten Alternativen gewesen, sodass es an einer Drohung fehle. Schließlich hat sich der Beklagte auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO liege nicht vor. Zwar könne die Androhung der Insolvenzantragstellung beim Schuldner eine Drucksituation erzeugen - ähnlich wie eine in Aussicht gestellte Einzelzwangsvollstreckung - und damit dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger widersprechen (BGHZ 157, 242). Die Frage nach dem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schreiben vom 04. April 2006 und der Zahlung hat das Landgericht offen gelassen. Die Schuldnerin habe hier den Insolvenzantrag nicht angekündigt, sondern sich einen dahin gehenden Entschluss nur vorbehalten. Als weitere Handlungsmöglichkeit habe...