Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsfähigkeit eines zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichteten Unterhaltsschuldners. Darlegungslast bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit. Herabsetzung des Selbstbehalts eines Sozialleistungsempfängers wegen geringer Wohnkosten. Elterngeld als unterhaltsrelevantes Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Legt der einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit ausgesetzte Unterhaltspflichtige seine tatsächlichen Einkünfte nicht dar, so muss er sich zur Zahlung des Mindestunterhalts als leitungsfähig behandeln lassen.
2. Zur Möglichkeit der Herabsenkung des Selbstbehalts wegen geringer Wohnkosten eines HartzIV-Empfängers.
3. Zum Einsatz des Sockelbetrags des Elterngeldes als unterhaltsrechtliches Einkommen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1-2, § 1612a; BEEG § 11 Sätze 1, 4
Verfahrensgang
AG Cottbus (Urteil vom 19.04.2010; Aktenzeichen 53 F 416/08) |
Tenor
1. Das angefochtene Urteil des AG Cottbus vom 19.7.2010 (53 F 416/08) wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger Unterhalt für Juli 2010 bis einschließlich Dezember 2010 von jeweils monatlich 272 EUR sowie ab dem 1.1.2011 von 100 % des Mindestunterhaltes gem. § 1612a BGB der jeweiligen Altersstufe monatlich im Voraus zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
4. Der Berufungswert beträgt 3.264 EUR.
Gründe
I. Der am ... 2002 geborene Kläger ist der Sohn der Beklagten. Die Ehe des Kindesvaters und der Kindesmutter wurde geschieden. Für den Kläger üben die Kindeseltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Bis zum 29.8.2008 lebte der Kläger im Haushalt der Kindesmutter. Einen Tag vor der Einschulung wechselte der Kläger in den Haushalt des Kindesvaters. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde dem Kindesvater übertragen. Die Kindesmutter pflegt Umgang zu dem Kläger.
Bis zum Aufenthaltswechsel war der Kindesvater verpflichtet auf Grund der Urkunde des Jugendamtes der Stadtverwaltung Cottbus vom 27.5.2003 ... Unterhalt für den Kläger zu Händen der Kindesmutter zu zahlen. Diese Urkunde wurde abgeändert, seit 1.9.2008 ist der Kindesvater nicht mehr verpflichtet aus dieser Urkunde Unterhalt an die Kindesmutter zu zahlen.
Mit Schreiben vom 1.9.2008 wurde die Kindesmutter aufgefordert, Unterhalt zu Händen des Kindesvaters zu zahlen. Der Kindesvater hat für den Kläger Unterhaltsvorschuss erhalten im Zeitraum 1.9.2008 bis zum 9.8.2009.
Die Beklagte hat im Januar 2010 das Kind Timo entbunden. Bis zum 15.3.2010 befand sie sich im Mutterschutz. Nunmehr nimmt sie für 2 Jahre Elternzeit in Anspruch.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet ihm den Mindestunterhalt zu zahlen. Die Beklagte ist von Beruf Floristin. Die Beklagte sei verschärft unterhaltspflichtig. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Beklagte bei gehörigen Bemühungen in der Lage wäre, für ihn den Mindestunterhalt zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 31.12.2008 308 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 1.1.2009 und 597,80 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 10.8.2009 sowie ab dem 10.8.2009 monatlich den Mindestunterhalt zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei gegenwärtig nicht verpflichtet, Unterhalt zu zahlen. Sie habe die Schule nach 8 Klassen verlassen und anschließend eine Teilfacharbeiterausbildung im Bereich Teig- und Dauerbackwaren absolviert. Mit Unterstützung des Arbeitsamtes habe sie später eine Umschulung als Floristin absolviert. Einer Tätigkeit als Floristin könne sie nicht mehr nachgehen. Die Arbeitsunfähigkeit für die Tätigkeit als Floristin sei durch den Arbeitsamtärztlichen Dienst anerkannt worden. Seit April 2009 sei sie arbeitsunfähig krank geschrieben. Nunmehr sei sie alleinerziehend. Unter Beachtung ihrer beruflichen Qualifikation, ihrer gesundheitlichen Einschränkungen und der gegenwärtigen Betreuungssituation ist die Beklagte der Auffassung, dass sie gegenwärtig nicht verpflichtet sei einer Arbeit nachzugehen und auch nicht leistungsfähig sei Unterhalt für den Kläger zu zahlen.
Mit dem am 19.7.2010 verkündeten Urteil hat das AG Cottbus die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der in Abänderung der angefochtenen Entscheidung nunmehr sein Unterhaltsanspruch - nach entsprechendem Hinweisbeschluss des Senates - noch für die Zeit ab Juli 2010 verfolgt. Insbesondere führt er aus, dass die Beklagte angesichts ihrer Verpflichtung zur Erwerbsobliegenheit in der Lage sei, den geltend gemachten Mindestunterhalt zu zahlen.
Der Kläger beantragt nunmehr, das angefochtene Urteil des AG Cottbus vom 19.7.2010 wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verpflichtet, an ihn für Juli, August und September 2010 jeweils monatlich 272 EUR Unterhalt, sowie ab dem 1.10.2010 100 % ...