Leitsatz

Der im Jahre 2002 geborene Kläger war der Sohn der Beklagten. Die Ehe des Kindesvaters und der Kindesmutter wurde geschieden. Für den Kläger übten die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Bis zum 29.8.2008 lebte der Kläger im Haushalt seiner Mutter. Einen Tag vor der Einschulung wechselte er in den Haushalt seines Vaters. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde auf den Kindesvater übertragen. Die Kindesmutter pflegte Umgang zu dem Kläger.

Bis zu dem Aufenthaltswechsel des Kindes war der Vater aufgrund einer Jugendamtsurkunde verpflichtet, Kindesunterhalt für den Kläger zu Händen der Kindesmutter zu zahlen. Diese Urkunde wurde abgeändert. Seit 1.9.2008 bestand eine Verpflichtung des Vaters zur Leistung von Kindesunterhalt nicht mehr.

Mit Schreiben vom 1.9.2008 wurde die Kindesmutter aufgefordert, Unterhalt zu Händen des Kindesvaters zu zahlen. Der Kindesvater hat für den Kläger Unterhaltsvorschuss erhalten in dem Zeitraum vom 1.9.2008 bis zum 9.8.2009.

Die Kindesmutter hat im Januar 2010 ein weiteres Kind entbunden. Bis zum 15.3.2010 befand sie sich im Mutterschutz. Danach nahm sie für zwei Jahre Elternzeit in Anspruch.

Der Kläger vertrat die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihm den Mindestunterhalt zu zahlen. Von Beruf war die Kindesmutter Floristin. Sie sei verschärft unterhaltspflichtig. Bei gehörigen Bemühungen sei sie dazu in der Lage, den Mindestunterhalt zu leisten.

Das AG hat die Klage auf Leistung von Mindestunterhalt zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit seinem Rechtsmittel verfolgte er nach entsprechendem Hinweisbeschluss des Senats seinen Unterhaltsanspruch noch für die Zeit ab Juli 2010.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beklagte für die Zeit ab Juli 2010 für leistungsfähig zur Zahlung des Mindestunterhalts i.H.v. 272,00 EUR monatlich und wies deutlich darauf hin, dass die Beklagte die vollständige Darlegungs- und Beweislast treffe, da es in dem vorliegenden Verfahren lediglich um den Mindestunterhaltsanspruch gehe. Ihrer Darlegungs- und Beweislast sei die Beklagte nach wie vor nicht ausreichend nachgekommen. Sie habe lediglich zu ihrer Arbeitsfähigkeit und ihrer Möglichkeit, eine Arbeit zu finden, vorgetragen, nicht jedoch dazu, welche konkreten Einkünfte sie erziele. Da jeder Vortrag hierzu fehle, sei schon in tatsächlicher Hinsicht die tatsächliche Leistungsunfähigkeit nicht dargelegt worden. Zu ihren Lasten müsse daher davon ausgegangen werden, dass sie angesichts ihrer tatsächlichen Einkünfte in der Lage sei, unter Wahrung des ihr zustehenden Selbstbehalts den Mindestunterhalt zahlen zu können. Schon aus diesem Grunde habe die Klage für die Zeit ab Juli 2010 Erfolg.

Lediglich vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass - soweit anhand des Vorbringens der Beklagten aus dem Prozesskostenhilfeverfahren ihr tatsächliches Einkommen festgestellt werden könne - sie zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts in der Lage wäre.

Es könne derzeit lediglich vermutet werden, dass die Beklagte weiterhin Hartz IV-Empfängerin sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie Elterngeld beziehe. Üblicherweise handele es sich insoweit um einen Monatsbetrag von 300,00 EUR als Sockelbetrag, der mindestens bezogen werde. Das Elterngeld sei ihr unter Beachtung von § 11 BEEG als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen angesichts des hier im Raum stehenden Mindestunterhaltsanspruchs zuzurechnen. Zwar sei Elterngeld unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nur insoweit, als der Mindestsatz von 300,00 EUR überschritten werde. Ausnahmsweise sei es aber vollständig und ohne Abzug zuzurechnen, wenn der das Elterngeld Beziehende als Unterhaltsverpflichteter einer gesteigerten Obliegenheit gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ausgesetzt sei. Dies sei hier der Fall.

Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Selbstbehalt in tatsächlicher Hinsicht nicht in vollem Umfang ausschöpfe. In dem nichterwerbstätigen Selbstbehalt von 770,00 EUR sei ein Wohnkostenanteil von 360,00 EUR monatlich enthalten. Tatsächlich betrügen die Wohnkosten aufseiten der Beklagten lediglich 186,11 EUR.

Das OLG errechnete aus den Angaben der Beklagten im Rahmen der von ihr beantragten Prozesskostenhilfe ihr zuzurechnende Einkünfte von 824,11 EUR. Angesichts eines reduzierten Selbstbehalts von 596,11 EUR stehe daher ein verteilungsfähiges Einkommen von 228,00 EUR zur Verfügung. Schon hieraus könne sie im Wesentlichen den Mindestunterhaltsanspruch befriedigen. Zur vollständigen Befriedigung fehle dann lediglich noch ein Betrag von 44,00 EUR, den sie unschwer aus der Erzielung eines Nebenverdienstes befriedigen könne.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 23.12.2010, 9 UF 79/10

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