Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 4 O 143/16, vom 28.05.2018 aufgehoben.

Dem Beklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 11.08.2017 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Beklagten hat insoweit Erfolg, als das Landgericht den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 11.08.2017 zu Unrecht als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zurückgewiesen hat, so dass auf den Hilfsantrag des Beklagten der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zurückzuverweisen war.

Zwar ist der am 29.09.2017 beim Landgericht eingegangene Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 11.08.2017 nicht innerhalb der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingegangen. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs begann mit der wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils an den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten Rechtsanwalt ... am 15.08.2017 zu laufen. Die Zustellung war wirksam, obwohl Rechtsanwalt ... mit Schriftsatz vom 08.08.2017 angezeigt hatte, das Mandat niedergelegt zu haben. § 87 Abs. 2 ZPO berechtigt den Rechtsanwalt im dort vorgesehenem Umfang zur Vertretung der Partei trotz der Niederlegung des Mandats; die von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Prozesshandlungen wirken deshalb für und gegen seine Partei. Zwar müssen Zustellungen mit der Anzeige der Beendigung des Mandats nicht mehr nach § 172 ZPO an den bisherigen Prozessbevollmächtigten bewirkt werden. Wird jedoch weiterhin an ihn zugestellt und nimmt der bisherige Prozessbevollmächtigte die Zustellung entgegen, ist diese wirksam (vgl. BGH NJW 2008, 234). So liegt der Fall auch hier, da Rechtsanwalt ... die Zustellung des Versäumnisurteils durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses vom 15.08.2017 entgegengenommen hat.

Dem Beklagten ist jedoch auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren, da er glaubhaft gemacht hat, ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen zu sein (§ 233 ZPO).

Der Beklagte hat mit der eidesstattlichen Versicherung vom 29.09.2017 glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO), dass ihm das Versäumnisurteil vom 11.08.2017 nicht zugegangen ist, er insbesondere das Schreiben von Rechtsanwalt ... vom 15.08.2017, mit dem dieser ihm das Versäumnisurteil vom 11.08.2017 übersandt habe, nicht erhalten hat. Da das Versäumnisurteil nach den Angaben von Rechtsanwalt ... lediglich mit einfachem Brief versandt worden ist, liegt ein Nachweis des Zugangs des Versäumnisurteils bei dem Beklagten nicht vor. Seine Angabe, das Schreiben mit dem Versäumnisurteil nicht erhalten zu haben, lässt sich daher nicht widerlegen. Mit dem von Rechtsanwalt ... vorgelegten Auszug aus seinem Postausgangsbuch lässt sich lediglich belegen, dass ein entsprechendes Schreiben aus der Kanzlei des Rechtsanwalts ... abgeschickt worden ist, nicht aber, dass es dem Beklagten auch zugegangen ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war der Beklagte auch nicht zu weitergehenden Erkundigungen nach dem Verbleib eines Versäumnisurteils verpflichtet. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass Rechtsanwalt ... das Versäumnisurteil mit einer entsprechenden Mitteilung über den Zeitpunkt der erfolgten Zustellung an ihn übersenden werde. Solange er keine Nachricht von Rechtsanwalt ... erhielt, musste er nicht damit rechnen, dass eine Zustellung an Rechtsanwalt ... bereits erfolgt war. Er war auch nicht verpflichtet, selbst tätig zu werden oder einen anderen Anwalt einzuschalten, damit dieser hätte klären können, ob bereits eine Zustellung an Rechtsanwalt ... erfolgt war (vgl. BGH NJW 1980, 999; BGH VersR 1985, 1185, juris Rn. 8). Ebenso wenig musste er damit rechnen, dass ein von Rechtsanwalt ... abgeschicktes Schreiben auf dem Postweg verlorengehen könnte. Da der Beklagte davon ausgehen durfte, dass Rechtsanwalt ... seiner nachvertraglichen Pflicht aus dem Mandatsverhältnis zur Übersendung des Versäumnisurteils von sich aus nachkommen werde, bestand für ihn auch keine Veranlassung, sich unmittelbar nach dem Termin vor dem Landgericht mit Rechtsanwalt ... in Verbindung zu setzen, zumal sich dieser, wie er auch gegenüber dem Landgericht mitgeteilt hatte, in der Zeit vom 17.08. bis zum 01.09.2017 in Urlaub befand, so dass zweifelhaft erscheint, ob der Beklagte bei einer früheren Nachfrage im Büro von Rechtsanwalt ... überhaupt eine verlässliche Antwort...

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