Leitsatz (amtlich)
1. Schreibt ein im Auftrag einer Stadt tätiger Sanierungsträger den Verkauf eines städtischen Grundstücks im Wege öffentlicher Ausschreibung aus und übt er damit städtebauliche Regelzuständigkeiten aus, handelt es sich dabei nicht um ein Unterschwellenwertvergabeverfahren in der Beschaffungswirtschaft.
2. Ein Schadensersatzanspruch und ein zur Schadensvermeidung geltend gemachter Unterlassungsanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen kommt bei einem zum Verkauf eines Grundstücks eingeleiteten Bieterverfahrens durch die öffentliche Hand nicht in Betracht, weil wegen Formmangels der Kaufangebote eine Enttäuschung berechtigterweise in Anspruch genommenen Vertrauens ausscheidet.
3. Ein Unterlassungsanspruch kann nicht auf die aus Art. 3 GG resultierenden Verfahrensgrundsätze der Diskriminierungsfreiheit, Gleichbehandlung und Transparenz gestützt werden. Diese Grundsätze sind innerhalb des jeweiligen Rechtsverhältnisses zu beachten, stellen aber nicht selbst die erforderliche zivilrechtliche Anspruchsgrundlage dar.
4. Stellt die öffentliche Hand in einer Ausschreibung zur Veräußerung ihres Vermögens Regeln für die Ermittlung des am besten geeigneten Angebots auf, kann eine willkürliche Abweichung von diesen Regeln oder ein Handeln in unredlicher Absicht einen Schadensersatzanspruch und in dessen Vorfeld einen Unterlassungsanspruch begründen.
5. Führt die öffentliche Hand unter mehreren als gleichwertig anzusehenden Angeboten ein Losverfahren durch, kann dies nicht als willkürlich angesehen werden.
Normenkette
GG Art. 3; BGB §§ 241, 280, 311, 311b, 826
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Potsdam vom 24.11.2011 - 11 O 321/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention tragen die Antragsteller zu je ½.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin führte als Sanierungsträgerin im Auftrag der Stadt P. ab Juni 2011 ein Ausschreibungsverfahren betreffend das Grundstück A. N. 79 in P.-B. durch. Das Grundstück liegt im Sanierungsgebiet B. Nord, die Antragsgegnerin ist eingetragene Eigentümerin des Grundstücks.
Das Objekt wurde am 25.6.2011 in der M.-Zeitung sowie auf der Web-Seite der Antragsgegnerin im Zeitraum Juli/August 2011 im Auftrag der Stadt P. zum Verkauf zu einem Preis (Festpreis) von 111.000 EUR öffentlich angeboten. Interessenten wurden aufgefordert, ein Exposé anzufordern.
In dem von den Antragstellern angeforderten Exposé heißt es u.a.:
Objekt: Grundstück zur Sanierung und Neubebauung mit zweigeschossigem
Vorderhaus
Hinweise zur Baulichen Nutzung:
Als Nutzung ist Wohnen und Gewerbe möglich.
Bevorzugt werden ein bis zwei Familien, die das Grundstück zur Selbstnutzung erwerben.
Rechtliche Gegebenheiten:
Das Grundstück liegt innerhalb des Geltungsbereiches der Satzung über dieförmliche Festlegung des Sanierungsgebietes "B. Nord"... und innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der Satzung zum Schutz des Denkmalbereichs N..
Besondere Verfahren im Rahmen der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme nach Baugesetzbuch, besonderes Städtebaurecht §§ 136-164 BauGB, sind für die Grundstückseigentümer und für den Kaufvertrag zu berücksichtigen ...
Hinweise zur Kaufentscheidung:
Von den Kaufinteressenten wird erwartet, dass sie durch geeignete Unterlagen (Kosten- und Finanzierungskonzept, Eigenkapitalnachweis u.a.) glaubhaft machen, dass sie gewillt und in der Lage sind, das Grundstück entsprechend den Sanierungszielen und -zwecken in angemessener Frist entsprechend herzurichten und zu nutzen.
Nach Sichtung der eingereichten Unterlagen wird der Stadt P. von Seiten der (Antragsgegnerin) ein entsprechender Vergabevorschlag unterbreitet.
Der Abschluss des Kaufvertrages erfolgt mit der (Antragsgegnerin).
Bewerbungsbedingung:
1. Der Kaufpreis ist ein Festpreis,...
2. Verkaufsgrundlage ist jeweils ein Instandsetzungs- und Modernisierungs- bzw. Neubaukonzept.
3. Der Erwerber wird verpflichtet, Sanierung und Neubau innerhalb von zwei Jahren abzuschließen.
4. Interessenten werden aufgefordert, den im Zusammenhang mit den Privatisierungsrichtlinien stehenden Fragebogen, ein Angebot und ein bauliches Konzept bis zum 15.8.2011 bei der (Antragsgegnerin) einzureichen.
5. Die Auswahl der Bewerber erfolgt nach der Auswertung des Fragebogens und des eingereichten Konzeptes.
6. Der als Treuhänder der Stadt P. auftretende Sanierungsträger (Antragsgegnerin) führt nur eine Vorauswahl der Kaufinteressenten durch. Die Entscheidung fällt die Stadt P.
Die Antragsteller füllten wie gefordert einen Fragebogen aus und reichten neben zwanzig weiteren Interessenten, darunter auch die Nebenintervenientin, das Angebot vom 12.8.2011 bei der Antragsgegnerin ein.
In diesem Angebot ist u.a. ausgeführt, dass die Antragsteller Eigentümer des benachbarten Grundstücks A. N. 77 sind, ein dort befindliches Weberhaus umfassend denkmalgerecht saniert haben und seither als Wohnhaus nutz...