Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Schiedsvereinbarung von der Schiedsgutachtervereinbarung; materiell-rechtliches Einrederecht der Schiedsgutachtervereinbarung im Prozess

 

Normenkette

ZPO §§ 1029, 1032, 1055; BGB § 317

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 01.02.2013; Aktenzeichen 11 O 89/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.2.2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt/O., Az.: 11 O 89/12, einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien schlossen am 12.4.2011 einen Vertrag, in dem sich die Klägerin gegenüber den Beklagten zur Errichtung eines Gebäudes als Anschluss an einen Hotelbau verpflichtete. Der hierfür vorgesehene Werklohn betrug 594.916,70 EUR. Nach § 4 des Vertrages sollte die Vergütung in 7 Raten gezahlt werden, wobei die letzte Rate bei Hausübergabe fällig werden sollte. Als Anlage zu dem vorgenannten Vertrag schlossen die Parteien einen als "Schiedsgerichtsvereinbarung" überschriebenen Vertragszusatz, in dem es u.a. heißt:

"Die Vertragsparteien vereinbaren:

Bei Streitigkeiten, die die Bauausführung betreffen, wird ein öffentlich bestellter und vereidigter Bausachverständiger/Gutachter zur Entscheidung bestellt.

Dessen Feststellungen haben abschließenden und bindenden Charakter.

Diese endgültige Entscheidung wird von jeder Parteien akzeptiert.

Die Kosten werden entsprechend des Verschuldens getragen."

Am 8.12.2011 nahm die Beklagte zu 1. für die Beklagten das von der Klägerin errichtete Gebäude "ohne sichtbare Mängel" ab. Im Abnahmeprotokoll der Anlage K 2 wurden Mängel hinsichtlich der Montage der gelieferten Duschtrennwände aufgenommen sowie die Lieferung und der Einbau der Abdichtungen der Duschräume. Hinzu kamen kleinere Punkte, die in einer "Checkliste zur Hausübergabe" gesondert benannt wurden.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von den Beklagten die gesamtschuldnerische Zahlung des nach ihrer Ansicht nach noch offenen Betrages i.H.v. 38.620,38 EUR zzgl. Zinsen begehrt.

Die Beklagten haben in erster Instanz die Zulässigkeit der Klage gem. § 1032 ZPO gerügt. Darüber hinaus haben sie die fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung moniert und gemeint, dass ein schlüssiger Vortrag der Klägerin hierzu nicht vorliege. Schließlich haben sie den Schallschutz im Hotelerweiterungsbau, eine unzureichende Durchgangsbreite bei den Duschwänden, fehlerhafte Innenmaße an den Wänden sowie fehlende Rollläden im Zimmer 2.3 bemängelt und gemeint, dass diesbezüglich ein Minderungs- bzw. Zurückbehaltungsrecht bestehe.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die o.g. Anlage zum Bauvertrag eine Schiedsgutachterabrede i.S.d. §§ 1029 ff. ZPO enthalte, mit der Folge, dass eine Klage vor einem staatlichen Gericht ausgeschlossen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, dass das erstinstanzliche Gericht die Zulässigkeit der Klage rechtsfehlerhaft verneint habe. Bei der vor dem LG erhobenen Werklohnklage handele es sich nicht um eine "die Bauausführung betreffende Streitigkeit", denn bei der Klageforderung gehe es ausschließlich um die vertraglich vereinbarte Vergütung. Nach ihrem Sinn und Zweck beziehe sich die Schiedsgutachterregelung nicht auf den hier in Rede stehenden Vergütungsanspruch. Es bestehe kein Ansatzpunkt dafür, dass die Parteien durch diese Abrede rein rechtlich zu beurteilende Entscheidungen endgültig den staatlichen Gerichten haben entziehen und einem Bausachverständigen übertragen wollen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Frankfurt/O. vom 1.2.2013 - 11 O 89/12, abzuändern und

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 38.620,38 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 4.2.2012 zu zahlen sowie

2. als Gesamtschuldner an sie vorgerichtliche Mahnkosten i.H.v.

1.419,19 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils vom 1.2.2013 - 11 O 89/12, und des Verfahrens an das LG Frankfurt/O. zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung hinsichtlich der Haupt- und Hilfsanträge zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache mit dem Hilfsantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg, weil die Klage zulässig ist und der mit der Zurückverweisung verbundene Zeit- und Kostenaufwand die bei eigener Sachentscheidung des Berufungsgericht zu erwartenden Nachteile nicht überwiegt, vgl. § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

Die Klage ist zulässig.

Der Geltendmachung des streitgegenständlichen Werklohnanspruchs steht kein Prozesshindernis wegen einer d...

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