Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 01.02.2010; Aktenzeichen 3 O 157/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1. Februar 2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin, Az.: 3 O 157/07, abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 130.430,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 12.07.2007 als Gesamtschuldner zu zahlen. Die Beklagte zu 1. wird darüber hinaus verurteilt Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus dem Betrag von 130.430,69 € für die Zeit vom 19.06. bis 11.07.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, für sämtliche Kosten der ärztlichen Behandlung des am ....12.1957 geborenen Versicherten der Klägerin P... Se... wegen der fehlerhaften Operation vom 10.02.2004 als Gesamtschuldner aufzukommen, die der Klägerin zukünftig noch entstehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schadensersatz sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden aufgrund einer nach Ansicht der Klägerin fehlerhaften Behandlung ihres Versicherten P... Se... im Hause der Beklagten zu 1. am 10./11.02.2004. Der Versicherte der Klägerin verschluckte ein unzerkautes Fleischstück, das in der Speiseröhre steckenblieb. Der Beklagte zu 2. versuchte das Fleischstück im Rahmen eines Notfalleingriffs am 10.02.2004 zu entfernen, indem er es mit Hilfe eines starren Endoskops Richtung Magen weiter schob. Nach dem Eingriff klagte der Versicherte über Schmerzen. Der Versicherte wurde deshalb am Morgen des Folgetages in die Charité verlegt, wo er operiert wurde und wo eine Perforation der Speiseröhre festgestellt wurde. Infolge von Komplikationen des Eingriffs kam es letztlich zu einer Entfernung der Speiseröhre. Die Parteien streiten über das Vorliegen eines (groben) Behandlungsfehlers seitens der Beklagten, insbesondere darüber, ob der Einsatz eines starren Endoskops gegenüber einem flexiblen Endoskop das Mittel der Wahl gewesen ist, und ob eine Verschiebung des Fleischbolus Richtung Magen erfolgen durfte oder ob eine Entfernung über den Mund hätte vorgenommen werden müssen. Ferner besteht Streit über die Kausalität eines etwaigen Behandlungsfehlers für die Perforation der Speiseröhre. Die Klägerin beanstandet weiterhin eine zu späte Feststellung der Perforation der Speiseröhre und eine nicht rechtzeitige Verlegung ihres Versicherten in eine zur Behandlung der Perforation geeignete Klinik. Auch insoweit besteht Streit über die Kausalität eines Behandlungsfehlers für die beim Versicherten eingetretenen Folgebeeinträchtigungen. Schließlich rügt die Klägerin eine unzureichende Aufklärung ihres Versicherten im Hinblick auf die Therapiewahl betreffend die Verwendung eines starren oder flexiblen Endoskops.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Dieser ist dahingehend zu ergänzen, dass die Klägerin auch beanstandet hat, es sei fehlerhaft gewesen, ihren Versicherten, der unstreitig bereits um 21.00 Uhr des 09.02.2004 über Schmerzen klagte, lediglich mit einem Schmerzmittel zu versorgen. Ebenso sei es falsch gewesen, im Hinblick auf die fehlenden Kapazitäten für eine Operation in der Charité ... bis um 6.30 Uhr am 11.02.2004 mit der Verlegung abzuwarten und diese dann per Krankenwagen und nicht mittels Rettungshubschrauber durchzuführen. Zu berichtigen ist der landgerichtliche Tatbestand schließlich dahin, dass der Fleischbolus bei der Operation in der Charité nicht über den Mund, sondern über die Perforationsstelle nach oben entfernt worden ist.
Mit am 01.02.2010 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Behandlung des Versicherten der Klägerin durch die Beklagten habe dem fachmedizinischen Standard entsprochen. Ein etwaiger Behandlungsfehler sei jedenfalls für den geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Wahl eines starren Endoskops korrekt gewesen. Dahinstehen könne, ob das Vorschieben des Fleischbolus fehlerhaft gewesen sei. Ein hierin liegender Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht kausal für die Beeinträchtigung des Versicherten der Klägerin geworden, da sich die Perforationsstelle oberhalb der Stelle befunden habe, bis zu der der Fleischbolus nach den Feststellungen des Chirurgen der Folgeoperation hinuntergeschoben worden sei. Dem Beklagten könne auch eine mangelnde Kontrolle...