Normenkette
ZPO § 141 Abs. 1, §§ 447-448
Tenor
Das am 15.03.2018 verkündete Versäumnisurteil des Senats, Az.: 12 U 9/17, wird aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.2016 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 11 O 80/15, einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Auf den am 29.03.2018 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen und damit gemäß § 339 Abs. 1 ZPO fristgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten gegen das am 15.03.2018 erlassene Versäumnisurteil ist der Prozess in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517ff. ZPO eingelegte Berufung der Beklagten führt - unter Aufhebung des Versäumnisurteils - auf den Antrag der Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens und zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.
1. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an wesentlichen Mängeln, die das Recht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen.
a) Das Landgericht hat zum streitigen Unfallhergang zwar den von der Klägerin benannten Zeugen K... gehört. Den gegenbeweislich gestellten Anträgen ist das Landgericht jedoch nicht nachgegangen. Weder der Verfahrensakte noch dem angefochtenen Urteil sind Hinweise darauf zu entnehmen, aus welchen Gründen die gegenbeweislichen Anträge nicht verfolgt wurden.
Der Zeuge K... hat bekundet, dass die Beklagte zu 1 in der von ihr befahrenen Rechtskurve geradeaus gefahren und so auf die Fahrbahn der Klägerin geraten sei. Vom Zeugen K... stammt auch die Unfallskizze Anlage K 2, Bl. 13 der Gerichtsakte, die dieser Aussage entspricht. Das Landgericht ist der Aussage des Zeugen gefolgt und hat auf dieser Grundlage festgestellt, dass die Beklagte zu 1 den Unfall allein verschuldet hat.
Die Beklagten haben gegenbeweislich die Parteivernehmung der Beklagten zu 1 gem. §§ 447, 448 ZPO, hilfsweise deren Anhörung sowie die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens beantragt, welches die Behauptung der Klägerin zum Unfallhergang anhand der Schadensbilder widerlegen soll. Zumindest die Anhörung der Beklagten zu 1 zum Unfallgeschehen gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO war vorliegend - nach gegenwärtigem Stand - aus Sicht des Senats nicht entbehrlich. Ob darüber hinaus die Voraussetzungen einer Parteivernehmung und der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens vorliegen, soll der Prüfung und Bewertung des Landgerichts im weiteren Verfahren vorbehalten bleiben.
Ist der Ablauf eines Verkehrsunfalls zwischen den Unfallbeteiligten streitig und hat ein Unfallbeteiligter Zeugen und der andere nicht, so wird die Anhörung des anderen Unfallbeteiligten oder zumindest die Gelegenheit zur Stellungnahme für die anwesende Partei nach § 137 Abs. 4 ZPO oder die Anhörung beider Parteien regelmäßig als geboten angesehen (vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 01.07.2016 - 10 U 972/16; OLG Schleswig, Urteil vom 20.12.2017 - 7 U 45/07, juris). Vorliegend hat das Landgericht zu keiner der drei mündlichen Verhandlungen das persönliche Erscheinen der unfallbeteiligten Parteien angeordnet. Die Beklagte zu 1 war auch zu keiner der mündlichen Verhandlungen persönlich anwesend. Die Beklagten haben für ihre Behauptung des Unfallherganges keinen Zeugen benennen können. Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass einer Partei, die keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung der Dinge in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei entweder gemäß § 448 ZPO - bei Bejahung der Voraussetzungen - zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2013 - VI ZR 325/11, juris). Es kommt nicht darauf an, dass für den Zeugen K... ein Näheverhältnis zur Klägerin festgestellt werden kann. Maßgeblich ist, dass es den Beklagten nicht möglich ist, für den von ihnen behaupteten Unfallhergang Zeugen zu benennen. Wenn das Landgericht dann von der Einholung des gegenbeweislich beantragten Unfallrekonstruktionsgutachtens absieht, ist die Parteianhörung die einzige prozessuale Möglichkeit, um den Beklagten die Erschütterung der Aussage des klägerischen Zeugen zu ermöglichen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.02.20...