Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 30.09.2016; Aktenzeichen S 11 VJ 3/13) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.08.2018; Aktenzeichen L 4 VJ 2/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. August 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Anerkennung von Impffolgeschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich einer am 2.11.2009 erfolgten Impfung mit dem Impfstoff Pandemrix gegen Influenza (H1N1). Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 29.8.2018 unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 30.9.2016 verneint, weil nach § 60 Abs 1 S 1 iVm § 2 Nr 11 IfSG ein Anspruch nicht bestehe. Zwar seien bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen ein Chronic Fatigue Syndrom (CFS), eine Polyneuropathie, eine Perikarditis sowie Lungenrundherde nachgewiesen. Diese Erkrankungen seien jedoch nicht ursächlich auf die am 2.11.2009 erfolgte Impfung zurückzuführen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 13.11.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl zB BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein Impfstoff - hier 'Pandemrix' -, der ein verkürztes Zulassungsverfahren und verkürzte Studien durchlaufen hat, von den Landesbehörden mit Impfstoffen, die bereits jahrelang/jahrzehntelang öffentlich empfohlen werden, unter dem Rechtsschein gleichgestellt werden dürfen und Dauerschäden damit verharmlost werden".
Wäre sie darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei dem Impfstoff um einen völlig neuen Impfstoff mit verkürztem Zulassungsverfahren gehandelt habe, so hätte sie der Impfung nicht zugestimmt. Zudem liege auch eine Verletzung des materiellen Rechts vor, weil das CFS im Sinne der "Kann-Versorgung" anzuerkennen sei.
Mit der von ihr formulierten Frage hat die Klägerin bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt, Anwendungsbereich oder zur Verfassungsmäßigkeit einer revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl BSG Beschluss vom 8.5.2015 - B 13 R 4/15 B - Juris RdNr 6 mwN).
Aber selbst wenn man die von der Klägerin bezeichnete Frage in eine Rechtsfrage "umdeuten" könnte und wollte, hat sie es unterlassen, die Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung darzulegen.
Anders als geboten hat die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt. Ihren Schilderungen können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes; denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 3/17 B - Juris RdNr 6).
Ohne Sachverhaltswiedergabe kann das BSG nicht beurteilen, ob sich entscheidungserheblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Dies gilt umso mehr, wenn es sich - wie hier - um einen umfangreichen Lebenssachverhalt handelt. In einer solchen Situation ist vom Beschwerdeführer zu erwarten, dass die Tatsachenfeststellungen, die für das LSG und aus Sicht der Beschwerde entscheidungserheblich sind, in einer geordneten Abhandlung und nicht, wie hier erfolgt, im Rahmen der Begründung äußerst fragmentarisch dargelegt werden sowie ohne den Hinweis, ob diese der entspricht, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl Senatsbeschluss vom 16.4.2018 - B 9 V 8/18 B - Juris RdNr 5).
Überdies geht die Klägerin aber auch nicht darauf ein, inwieweit die von ihr bezeichnete Frage bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist. Denn eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr, zB BSG Beschluss vom 24.3.2018 - B 12 R 44/17 B - Juris RdNr 8). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - Juris RdNr 15 mwN). Auch hieran fehlt es.
Es fehlt neben der Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 60, 61 IfSG und des § 1 Abs 3 BVG die erforderliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG hierzu, um zu begründen, ob es danach auf die Beantwortung der Frage überhaupt ankommt.
Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung der Beschwerde mit der Rechtsprechung des BSG zur angesprochenen Rechtsscheinhaftung. Danach ist dem Tatbestand einer öffentlichen Empfehlung der Impfung der Rechtsschein einer solchen Empfehlung unter bestimmten Voraussetzungen gleichzusetzen, mit der Folge, dass die betreffenden Impfungen rechtlich entsprechend § 60 Abs 1 IfSG zu behandeln sind (s hierzu BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VJ 1/08 R - SozR 4-3851 § 60 Nr 3 RdNr 18 und 19 mwN). Mit den dieser Bewertung zugrunde liegenden gesetzlichen Voraussetzungen und der Rechtsprechung des BSG setzt sich die Klägerin insgesamt nicht hinreichend auseinander. Tatsächlich kritisiert sie im Kern ihres Vorbringens die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit sie nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzureichende materielle Rechtsanwendung des LSG rügt und meint, dass CFS sei im Sinne einer "Kann-Versorgung" anzuerkennen (vgl Senatsbeschluss vom 16.1.2017 - B 9 V 1/16 BH - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13124869 |