Entscheidungsstichwort (Thema)
Revsionsnichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Leitsatz (redaktionell)
Der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage können Bedenken gegen die Zulässigkeit der (Feststellungs-) Klage entgegen stehen, denen auch das Revisionsgericht von Amts wegen nachzugehen hätte und die einer Sachentscheidung entgegen stehen könnten.
Orientierungssatz
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dient der Wahrung und einheitlichen Fortbildung des Rechts (vgl BVerfG vom 15.3.1982 - 2 BvR 206/82 = SozR 1500 § 160a Nr 44), nicht hingegen der lediglich abstrakten Klärung von Rechtsfragen (vgl BFH vom 28.4.1972 - III B 40/71 = BFHE 105, 335). Nur im konkreten Rahmen der tragenden Entscheidung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen im konkreten Streitfall ist die angestrebte Entscheidung daher geeignet, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 = SozR 1500 § 160a Nr 7).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Versicherungspflicht der Klägerin als sog arbeitnehmerähnliche Selbstständige.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 9. Juni 2005 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder |
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das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder |
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden. |
Die Klägerin beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr: BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Begründung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat zwar die Frage formuliert "Kommt es auch dann zur Rentenversicherungspflicht selbstständiger Personen gem § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI, wenn der selbstständige Versicherungsvermittler mit mehreren Versicherungen zusammenarbeitet, die ihrerseits über ein Holdingunternehmen in einem Konzernverbund stehen?". Es kann unerörtert bleiben, ob hierin eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zu sehen ist. Jedenfalls fehlt es nämlich selbst ansatzweise an der erforderlichen Darlegung der Klärungsfähigkeit der angesprochenen Problemlage. Hierzu hätte die Klägerin aufzeigen müssen, welchen Weg der Nachprüfung das Revisionsgericht bei Zulassung der Revision einschlagen müsste und welcher Schritt hierbei gerade eine Entscheidung über die von ihr als grundsätzlich angesehene Frage notwendig macht (BSG in SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dient nämlich der Wahrung und einheitlichen Fortbildung des Rechts (BVerfG in SozR 1500 § 160a Nr 44 und 48), nicht hingegen der lediglich abstrakten Klärung von Rechtsfragen (vgl BFH vom 28. April 1972, III B 40/71, BFHE 105, 335). Nur im konkreten Rahmen der tragenden Entscheidung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen im konkreten Streitfall ist die angestrebte Entscheidung daher geeignet, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 und 31).
Zu einem näheren Eingehen auf die Frage der Klärungsfähigkeit hätte im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb Anlass bestanden, weil sich im Blick auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage der Klägerin aufdrängen, denen auch das Revisionsgericht von Amts wegen nachzugehen hätte und die einer Sachentscheidung entgegen stehen könnten. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fehlte es zunächst überhaupt an der erforderlichen Vorbefassung der Beklagten, dann jedenfalls an einem im selben Rechtsstreit überprüfbaren Verwaltungsakt. Die Beklagte hatte im Ausgangsbescheid vom 5. August 1999 zur Versicherungspflicht nur als Begründungselement Stellung genommen und zudem insofern ausdrücklich einen "gesonderten Bescheid" angekündigt. Auch der Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999 beschränkt sich auf die Frage der Befreiung und wiederholt hinsichtlich der Versicherungspflicht die Ankündigung eines "gesonderten Bescheides". Dennoch hat das SG in Abänderung des Bescheides vom 5. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1999 eine Sachentscheidung getroffen und festgestellt, "dass die Klägerin der Versicherungspflicht für selbstständig Tätige nach § 2 Nr 9 SGB VI nicht unterliegt". Der Mangel ist auch im Laufe des Verfahrens nicht behoben worden. Zwar hat die Beklagte unter dem 10. September 2003 die Versicherungspflicht der Klägerin ab dem 1. April 1999 nach § 2 Satz 1 Nr 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) festgestellt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das ohne weiteres davon ausgegangen ist, dass dieser Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden ist und die Klage auch insofern abgewiesen hat, drängt sich jedoch die Frage auf, warum § 96 Abs 1 SGG anwendbar sein sollte, obwohl der Bescheid vom 10. September 2003 über die Feststellung von Versicherungspflicht erkennbar nicht die mit der Klage angegriffene Regelung über die Ablehnung einer Befreiung ändert oder ersetzt, sich vielmehr allein mit einem neuen Regelungsgegenstand befasst. Ebenso erwächst schließlich auch aus der - vom LSG nicht erörterten - Möglichkeit einer Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes im Wege einer gewillkürten Klageänderung bzw -erweiterung weiterer Klärungs- und Darlegungsbedarf. Unabhängig von der Zulässigkeit einer Klageänderung/-erweiterung ergäbe sich dann nämlich die Frage nach der Zuständigkeit des LSG als Eingangsinstanz für eine ggf von der Klägerin selbst auf den Bescheid vom 10. September 2003 erstreckten Klage. Mängel des Verfahrens hat die Klägerin indes weder ausdrücklich noch sinngemäß gerügt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen