Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Abweichung von BSG-Rechtsprechung
Orientierungssatz
Eine Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nicht schon gegeben, wenn das Urteil des LSG die Kriterien der Rechtsprechung des BSG unrichtig auswertet. Entscheidend ist vielmehr, ob das LSG von der Rechtsprechung des BSG abweichende Entscheidungskriterien entwickelt (vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 = SozR 1500 § 160a Nr 67).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 03.04.1991; Aktenzeichen L 9 Ar 87/88) |
Gründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn ihre Begründung genügt nicht den Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger als Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin seine Ehefrau war, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt hat. Gegen die Arbeitslosengeld ablehnende Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 19. Dezember 1985; Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1986) sind Klage und Berufung erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Detmold vom 4. März 1988; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. März 1991). Das LSG hat nach Beweisaufnahme ausgeführt, auch nachdem die Ehefrau sämtliche Gesellschaftsanteile übernommen habe, habe der Kläger im handwerklich-technischen Bereich seine Aufgaben im wesentlichen selbständig ausüben können. Er habe sich in die von ihm selbst mitgegebene Ordnung des Betriebes eingefügt und sei wie ein Mitunternehmer tätig geworden. Innerhalb seines Wirkungsbereiches sei er Weisungen seiner Ehefrau, die den kaufmännischen Bereich des Betriebes verwaltet habe, nicht unterworfen gewesen. Für ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Eheleute spreche auch der Umstand, daß das Gehalt des Klägers auf das Konto der Alleingesellschafterin - seiner Ehefrau - überwiesen worden sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger als Zulassungsgründe Abweichung von Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Er führt aus, das Urteil des LSG widerspreche den Entscheidungen des BSG vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 - sowie in SozR Nr 22 zu § 3 Angestelltenversicherungsgesetz. Danach seien Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ohne eigene Kapitalbeteiligung in der Regel abhängig beschäftigt. Das prägende Merkmal der Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer der Arbeitsausführung sei hier gegeben. Indiz für die Abhängigkeit des Klägers sei der Umstand, daß seine Bezüge von der Ertragslage der Gesellschaft unbeeinflußt gewesen seien. Ein gewichtiges Argument für die Unselbständigkeit sei ferner die Tatsache, daß der Kläger seine Geschäftsanteile im Jahre 1974 auf seine Ehefrau übertragen habe. Grundsätzliche Bedeutung komme der Frage zu, ob der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sei, wenn Alleingesellschafterin der GmbH seine Ehefrau sei, die Eheleute in Gütertrennung lebten, die Ehefrau Kapitalgeberin sei, die finanziellen und steuerlichen Verhältnisse der Gesellschaft allein von der Alleingesellschafterin entschieden würden, die Gesellschaft sich eines Dritten als Architekt und Konzessionsträger bediene und die Höhe der Bezüge des Geschäftsführers von der Ertragslage der Gesellschaft unabhängig sei, diese Bezüge allerdings auf ein Konto gingen, über das die Alleingesellschafterin verfügen könne.
Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, denn nach dieser Vorschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, bezeichnet werden.
Die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage hat der Kläger nicht dargelegt. Unter "darlegen" ist soviel wie "erläutern", "erklären", "näher darauf eingehen" zu verstehen (Hennig/Danckwerts/König, SGG, § 116a Anm 7.3. - Stand: Juni 1985). Diesem Erfordernis ist nur genügt, wenn der Beschwerdeführer nicht nur - wie geschehen - eine von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage aufzeigt, vielmehr hat er auch zu erläutern, inwiefern die Frage über den Einzelfall hinaus für die Allgemeinheit aus Gründen der Fortbildung des Rechts durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; § 160 Nr 17). Dies ist im einzelnen auszuführen. Dazu reicht die bloß formelhafte Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nicht aus. Selbst wenn die Möglichkeit besteht, daß die Rechtsfrage in anderen Fällen auftritt, ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Dies trifft erst dann zu, wenn die Rechtsfrage für die Rechtspraxis Bedeutung hat, weil ihre höchstrichterliche Beantwortung für eine Vielzahl von Fällen erforderlich erscheint. Hierzu läßt die Beschwerdebegründung des Klägers Ausführungen vermissen. Insbesondere hätte sich der Kläger mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwiefern die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist, nachdem das BSG in neuerer Zeit mehrfach Gelegenheit gehabt hat, die Kriterien für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei Geschäftsführern einer GmbH klarzustellen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nrn 1 und 4 mwN). Auch mit dem Hinweis auf eine angebliche Verletzung der Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes ist dem Begründungserfordernis nicht genügt. Der Kläger legt nämlich insoweit nicht dar, inwieweit einer Entscheidung durch das Revisionsgericht Bedeutung für eine Vielzahl weiterer Fälle beizumessen sein wird. Allein die Behauptung einer Verletzung der Verfassung durch das angefochtene Urteil legt nicht einen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG dar, sondern betrifft die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Diese Frage ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde, denn die Beantwortung der Richtigkeitsfrage setzt die Zulässigkeit der Revision voraus. Aus dem gleichen Grunde können die Ausführungen des Klägers, mit denen er sich gegen die rechtliche (und tatsächliche) Würdigung des LSG wendet, den Revisionsrechtszug nicht eröffnen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; Hennig/Danckwerts/ König aaO § 160a RdNr 7.7.6).
In der Beschwerdebegründung ist auch nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet, inwiefern das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG abweicht. Dazu ist nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, daß in der Beschwerdebegründung ein Widerspruch zwischen einem tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils und einen in einem Urteil des BSG entwickelten tragenden Rechtssatz bezeichnet wird. Hieran fehlt es im vorliegenden Falle schon insofern, als der Kläger aus der Rechtsprechung des BSG nicht Rechtssätze mit Ausschließlichkeitscharakter anführt. Dies ergibt sich aus der Beschwerdebegründung selbst, die zutreffend erwähnt, daß die zitierten Rechtssätze des BSG "in der Regel", "als Indiz" oder als "gewichtiges Argument" gelten sollen. Sie sind Anhaltspunkte für die rechtliche Würdigung im Einzelfall, die dessen Gegebenheiten Rechnung tragen soll. Im übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, mit welchem Rechtssatz das LSG von Entscheidungen des BSG abgewichen sein soll. Die Ausführungen des Klägers wenden sich gegen die rechtliche Würdigung des LSG und sind schon deshalb nicht geeignet, eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG zu bezeichnen. Dabei ist hervorzuheben, daß eine Abweichung im Sinne des Gesetzes nicht schon gegeben ist, wenn das Urteil des LSG die Kriterien der Rechtsprechung des BSG unrichtig auswertet. Entscheidend ist vielmehr, ob das LSG von der Rechtsprechung des BSG abweichende Entscheidungskriterien entwickelt (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 67). Dies hat die Beschwerdebegründung nicht bezeichnet, so daß sie nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen